Traditionelle_Chinesische_Medizin

Was ist Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)?

Eustachi_Krebs_TCM
Dr. med. Axel Eustachi

Viele TumorpatientInnen nutzen Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zur Behandlung von Beschwerden, bei Nebenwirkungen der konventionellen Tumortherapie oder zur Verbesserung ihrer Lebensqualität.

Unter der TCM werden unterschiedliche Methoden zur Diagnose und Behandlung zusammengefasst. Die bekannteste und am weitesten verbreitete Methode ist die Akupunktur. Weitere Verfahren dieses komplexen Diagnose- und Behandlungssystems sind die Ernährungstherapie, die Heilkräutertherapie, die manuelle Therapie (Tuina) sowie Bewegungs- und Entspannungstechniken (TaiChi, QiGong).

Dieser Blogartikel wurde freundlicherweise von Dr. med. Axel Eustachi verfasst und stellt den einführenden Auftakt einer Reihe vertiefender Blogbeiträge zum Thema Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) dar.  Dr. Eustachi widmet sich seit langem komplementärmedizinischen Konzepten für KrebspatientInnen, insbesondere der Naturheilkunde, der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der Akupunktur. Nach vielen Jahren universitärer Tätigkeit ist er nunmehr in eigener Praxis in München tätig.

Die Geschichte der TCM

Die TCM, deren Ursprünge bis zu 3000 Jahre alt sind, gründet sich auf die Erfahrungsheilkunde und deren Weitergabe über viele MedizinerInnen-Generationen in Asien, vor allem in China, Japan und Korea. In den letzten drei Jahrzehnten belegen immer mehr qualitativ hochwertige Studien die Wirksamkeit einzelner TCM-Verfahren auch und gerade bei TumorpatientInnen.

Wir möchten Ihnen hier einmal die Grundzüge der TCM und deren wichtigsten Methoden im Rahmen einer begleitenden Tumortherapie vorstellen. Sie als Betroffene sollten wissen, was unter den Methoden im Einzelnen zu verstehen ist, wie eine TCM-Behandlung ablaufen sollte, und was die TCM im Rahmen einer Tumorbehandlung leisten kann.

Diagnosestellung nach TCM

Die Grundlage einer TCM-Behandlung ist die individuelle Diagnose der PatientInnen. Sie entscheidet darüber, welche der unterschiedlichen Methoden der TCM im Einzelfall sinnvoll zur Anwendung kommen.

Chinesische_Heilkräuter_TCM

Vor Beginn einer TCM-Behandlung ist daher die möglichst genaue Erhebung des funktionellen Zustandes des Menschen von grundlegender Bedeutung. Dazu gehört die Befragung bezüglich aktueller Beschwerden, aber auch bezüglich körperlicher Funktionen wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Wärme-Kälte-Regulation, subjektive Wahrnehmung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit, Verdauung, Appetit, Zustand der Haut und der Schleimhäute, Sehfähigkeit, Gehör, Geruchssinn und letztlich auch die allgemeine Stimmungslage. Eine Besonderheit der TCM-Diagnostik ist die genaue Betrachtung der Zunge hinsichtlich Größe, Farbe, Form und Belag, sowie eine besondere Pulsdiagnose, die an beiden Handgelenken erhoben wird. Aus der Zungen- und Pulsdiagnose ziehen ausgebildete TCM-ÄrztInnen Rückschlüsse auf funktionelle Störungen der PatientInnen.

„Gesund“ in der Theorie der TCM

In der Theorie der TCM ist ein gesunder Organismus in der Lage seine Körperfunktionen entsprechend den Anforderungen, die auf ihn einwirken, zu regulieren. Solche Anforderungen können beispielswiese eine momentane Überlastung durch Stress, eine chronische Krankheit oder akute Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlen-Therapie sein. Ein geschwächter Organismus kann diese Regulation nicht mehr ausreichend oder dauerhaft leisten, was sich als körperliches oder psychisches Symptom äußert. Wann sich Beschwerden zeigen und welche Symptome das im Einzelfall sind, ist nach Vorstellung der TCM vor allem von der individuellen Regulationskraft und Energiereserve der Betroffenen abhängig.

Das Ziel der TCM ist daher immer auf der Grundlage der individuellen Funktionsfähigkeit und der aktuellen Beschwerden eines Menschen eine möglichst individuelle Therapie durchzuführen.

TCM als Ergänzung zur Schulmedizin

Dieser Aspekt ist bemerkenswert, da er ganz im Sinne der Komplementärmedizin eine tatsächliche Ergänzung zur konventionellen Tumortherapie darstellt.

Da sich letztere sinnvollerweise gegen den erkrankten Anteil des Organismus richtet, bleibt der nicht erkrankte, aber möglicherweise sehr geschwächte Teil des Körpers sich selbst überlassen. Manche Betroffene verfügen über eine gute Regulationskraft und große Energiereserven und leiden daher wenig unter einer Tumortherapie. Andere mit geschwächter Regulationskraft und erschöpften Energiereserven werden durch eine zwar sinnvolle und dringend notwendige, aber belastende Tumortherapie weiter geschwächt. Hier kann die TCM eine zusätzliche Hilfe anbieten, indem sie die individuelle Funktionsfähigkeit eines Menschen stärkt und somit die Voraussetzung schafft, dass eine konventionelle, nebenwirkungsbelastete Tumortherapie mit weniger Nachteilen für die Betroffenen durchgeführt werden kann.

Die wichtigsten Behandlungstechniken der TCM im Rahmen einer ergänzenden Therapie bei Tumorerkrankungen sind die Akupunktur, die Heilkräutertherapie (TCM-Phytotherapie) und die Atem- und Entspannungstechniken (QiGong, TaiChi).

Akupunktur_TCM

Akupunktur

Darunter versteht man die Behandlung von bestimmten und genau festgelegten Punkten des Körpers mittels spezieller Nadeln. Akupunktur zeigte sich in Studien als hilfreich beispielsweise bei chronischer Erschöpfung (1), bei Schmerzen (2) und bei Nebenwirkungen einer antihormonellen Therapie (3, 4). Da bei einer Akupunktur prinzipiell ein Verletzungsrisiko innerer Organe besteht, sollten BehandlerInnen über eine fundierte Akupunktur-Ausbildung verfügen. Insgesamt sind schwerwiegende Nebenwirkungen einer Akupunktur sehr selten. Leichtere Nebenwirkungen sind etwas häufiger und vor allem in Form von vegetativen Reaktionen wie Schweißausbrüche, Blutdruckabfall oder Schwindel möglich. Insgesamt gilt diese Behandlungstechnik als wissenschaftlich gut untersucht und als risikoarm. Die Akupunktur eignet sich jedoch nicht für Menschen mit ausgeprägter Angst vor Nadeln oder Injektionen. 

Chinesische Heilkräutertherapie (TCM-Phytotherapie)

In der Regel werden hier mehrere Kräuter zu Kombinations-Rezepturen zusammengefasst, ähnlich, wie dies auch bei europäischen Tee-Rezepturen der Fall ist. Die Heilkräutertherapie erfolgt in ihrer traditionellen Form als Tee oder, in moderneren Zubereitungsformen, als Tinktur, Tablette oder Granulat. Kontrollierte klinische Studien zeigten eine Wirksamkeit der TCM-Phytotherapie bei Schmerz, Verdauungsstörungen, Erschöpfung, Polyneuropathie sowie bei eingeschränkter Lebensqualität (5 – 8).

Die häufigsten Nebenwirkungen einer TCM-Kräutertherapie betreffen den Magen-Darmtrakt. Diese sind bei adäquater Dosierung der Rezepturen in der Regel eher leicht und vorübergehend. Allerdings sind bei bestimmten Heilpflanzen auch schwere Nebenwirkungen z.B. auf die Leber- und Nierenfunktion möglich. Heilkräuter können bei falscher Dosierung oder zu langer Anwendung giftige Wirkungen haben. Zudem können konventionelle Medikamente durch pflanzliche Rezepturen sowohl verstärkt oder abgeschwächt werden. Daher sollte die Behandlung mit chinesischen oder asiatischen Heilpflanzen durch entsprechend ausgebildete BehandlerInnen erfolgen.

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TaiChi/QiGong

sind Techniken, die Bewegungs- Entspannungs- und Atemübungen miteinander verbinden. Eine der Grundlagen der TCM ist die Vorstellung, dass der Mensch insbesondere über eine ausreichend tiefe und entspannte Atmung die Möglichkeit hat, Energie aufzunehmen. Insofern kommt den regelmäßigen Atem- und Entspannungsübungen eine große Bedeutung zu, gerade, wenn eine Erkrankung oder die jeweilige Therapie zu einer Erschöpfung führt. 

In klinischen Studien zeigten sich bislang Hinweise, dass die Leistungsfähigkeit durch solche Übungen verbessert werden kann (9). Diese Techniken können von den Betroffenen gut erlernt und selbstständig angewendet werden. Risiken bestehen in der Regel keine.

Zusammenfassung

Die Methoden der TCM sind für viele Betroffene eine hilfreiche Ergänzung der konventionellen Tumorbehandlung.

QiGong/TaiChi-Techniken sind leicht erlernbar und im Alltag anwendbar.

Die Akupunktur weist ein akzeptables Risikoprofil auf und ist mittlerweile durch klinische Studien auch bei Tumorerkrankungen überprüft und als Behandlungsversuch vertretbar.

Die chinesische Heilkräutertherapie ermöglicht einen individuellen Behandlungsansatz zur Stärkung der Regulationskraft und kann daher eine konventionelle Tumorbehandlung sinnvoll ergänzen. Sie setzt allerdings voraus, dass Wechsel- und Nebenwirkungen mit der konventionellen Tumortherapie berücksichtigt werden.

Worauf Sie achten sollten:

Eine ergänzende TCM-Therapie bietet die Möglichkeit der individuellen Begleitbehandlung einer Tumorerkrankung. Daher sollte sie immer unter Beachtung der aktuellen konventionellen Tumortherapie erfolgen, um ungünstige Wechselwirkungen auszuschließen und eine möglichst optimale Unterstützung zu erreichen.

Eine TCM-Therapie ist zur alleinigen Tumorbehandlung nicht geeignet.

TCM-BehandlerInnen sollten über eine entsprechende Ausbildung und möglichst über ausreichend Erfahrung in der Behandlung von TumorpatientInnen verfügen.

Die Kosten für eine TCM-Behandlung im Rahmen einer Krebserkrankung müssen gesetzlich Versicherte in der Regel selbst zahlen. Bei privaten Krankenversicherungen werden die Kosten häufig ganz oder teilweise übernommen.

Eine Akupunktursitzung kostet zwischen 70 und 100 € pro Behandlung. Eine chinesische Heilkräuterbehandlung für einen Monat kostet zwischen 130 und 160 €. Für die ärztliche Leistung (Erhebung der individuellen Erst-Anamnese, Puls und Zungendiagnostik, körperliche Untersuchung) fallen je nach Zeitaufwand zwischen 65 und 130 € an.

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Der nächste Artikel in der Reihe TCM erscheint im November.

Literatur:

1: Yan Zhang , Lu Lin , Huiling Li , Yan Hu , Li Tian. Effects of acupuncture on cancer-related fatigue: a meta-analysis. Support Care Cancer. 2018 Feb;26(2):415-425.

2: Juan Yang, Dietlind L Wahner-Roedler, Xuan Zhou, Lesley A Johnson, Alex Do, Deirdre R Pachman, Tony Y Chon, Manisha Salinas, Denise Millstine , Brent A Bauer. Acupuncture for palliative cancer pain management: systematic review. BMJ Support Palliat Care. 2021 Jan 13;

3: Ping-Ping Guo, Ping Li, Xue-Hui Zhang, Na Liu, Jie Wang, Dan-Dan Chen Wei-Jia Sun, Wei Zhang. Complementary and alternative medicine for natural and treatment-induced vasomotor symptoms: An overview of systematic reviews and meta-analyses. Complement Ther Clin Pract. 2019 Aug;36:181-194.

4: Tsai-Ju Chien, Chung-Hua Hsu, Chia-Yu Liu, Ching-Ju Fang. Effect of acupuncture on hot flush and menopause symptoms in breast cancer- A systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2017 Aug 22;12(8):e0180918

5: Fanghua Qi, Lin Zhao, Aiyan Zhou, Bo Zhang, Anyuan Li, Zhixue Wang, Junqing Han. The advantages of using traditional Chinese medicine as an adjunctive therapy in the whole course of cancer treatment instead of only terminal stage of cancer. Biosci Trends. 2015 Feb;9(1):16-34.

6: Ting Zhang, Sheng-lin Ma, Guang-ru Xie, Qing-hua Deng, Zhong-zhu Tang, Xiao-chan Pan, Min Zhang, Su Xu. Clinical research on nourishing yin and unblocking meridians recipe combined with opioid analgesics in cancer pain management. Chin J Integr Med. 2006 Sep;12(3):180-4.

7: Yichen Xu, Xin Shelley Wang, Yanzhi Chen, Qiuling Shi , Tsun Hsuan Chen, Pingping Li. A Phase II Randomized Controlled Trial of Renshen Yangrong Tang Herbal Extract Granules for Fatigue Reduction in Cancer Survivors. J Pain Symptom Manage. 2020 May;59(5):966-973.

8: Schloss J, Colosimo M, Vitetta L. New Insights into Potential Prevention and Management Options for Chemotherapy- Induced Peripheral Neuropathy. Asia Pac J Oncol Nurs 2016;3:73-85.

9: Roger Hilfiker, Andre Meichtry, Manuela Eicher, Lina Nilsson Balfe, Ruud H Knols, Martin L Verra, Jan Taeymans. Exercise and other non-pharmaceutical interventions for cancer-related fatigue in patients during or after cancer treatment: a systematic review incorporating an indirect-comparisons meta-analysis.  Br J Sports Med. 2018 May;52(10):651-658.

Wolfgang Doerfler

Über Wolfgang Doerfler

Wolfgang Doerfler leitet die Beratungsstelle für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Tumorzentrum München. Er verfasst Blogbeiträge zum Thema wissenschaftlich basierte Naturheilkunde und Lebensstil-Medizin.

Kommentare

Was ist Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)? — 5 Kommentare

  1. Ich fand den Artikel ziemlich interessant auch als nicht mehr Betroffene. Mein Mann ist leider vor 6 Jahren verstorben. Wir hatten damals tatsächlich in diese Richtung uns überlegt Hilfe zu suchen. Aber wo findet man Ärzte in der eigenen Umgebung, die die Befähigung haben und keine Scharlatane sind? Gibt es so etwas wie ein Register in dem man nachschauen könnte, den eigenen Wohnort betreffend?

    • Sehr geehrte Patientin,
      in Bezug auf die Ausbildung in traditioneller chinesischer Medizin existieren nach meinem Kenntnisstand keine Verzeichnisse oder Register, bei denen man lokal oder regional nachschauen könnte.
      Die Zusatzbezeichnung „Akupunktur“, die auf dem Praxisschild zu sehen ist, setzt eine Ausbildung und Prüfung in Akupunktur, sowie eine Anerkennung dieser Ausbildung durch die Ärztekammern voraus. Sie ist damit geeignet, TherapeutInnen zu erkennen, die sich mit dieser Behandlungstechnik auskennen. Ob Erfahrungen in der Behandlung von TumorpatientInnen bestehen, muss im Einzelfall erfragt werden.
      Es existiert derzeit in Deutschland keine Facharztausbildung oder Zusatzbezeichnung, die als Nachweis einer Expertise in traditioneller chinesischer Medizin in ihrer Gesamtheit, insbesondere auch bezüglich der Heilkräutertherapie, gelten kann. Diesbezüglich muss bei den TherapeutInnen nach der jeweiligen Ausbildung und Erfahrung gefragt werden.
      Lohnenswert kann eine Anfrage bei den Ausbildungsgesellschaften für TCM sein (z.B. Deutsche Gesellschaft für traditionelle chinesische Medizin-DGTCM, Societas Medicinae Sinensis-SMS, Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur-DÄGfA u.a.). Diese verfügen über Mitglieder-Listen, die regional gegliedert sind. Die Ausbildungsgesellschaften vergeben je nach Umfang der Ausbildung ein so genanntes A-Diplom, das in der Regel eine reine Akupunktur-Ausbidlung betrifft und ein B-Diplom, das eine Gesamtausbildung in TCM voraussetzt.

      Es gibt darüber hinaus die Möglichkeit durch eine Anfrage bei der Bayerischen Krebsgesellschaft, sich ein Bild zu machen, über die Erfahrungen, die andere Betroffene oder auch Beratungsgesellschaften mit ärztlichen oder auch nicht-ärztlichen Therapeuten gemacht haben.

      Mit freundlichen Grüßen.
      Dr. med. A.Eustachi

  2. Hallo, über eine Freundin habe ich von diesem Newsletter gehört und da ich begeisterte QiGong Praktizierende bin und auch Kurse gebe bin ich sehr interessiert an Infos und neuen Forschungsergebnissen.
    Mit freundlichen Grüßen für ein gutes neues Jahr
    Sigrid Kroker

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