Beratung oder Psychotherapie – was ist der Unterschied?

„Alles neu macht der Mai“

Im bildlichen Sinn steht der Monat Mai für Aufbruch und Neuanfang und dies trifft als „die Neue“ im Team des Tumorzentrums auch für mich zu. Mein Name ist Sarah Schuster, ich bin Psychologin und unterstütze seit April meine Kollegin Angelika Amann in der Krebsberatungsstelle des Tumorzentrums. Zusätzlich absolviere ich gerade die Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin.

Ich möchte diesen Blog nutzen, um mich bei Ihnen, liebe PatientInnen und Angehörige, vorzustellen und mit Ihnen einen Blick auf die spannende Frage „Beratung oder Psychotherapie – was ist der Unterschied?“ zu werfen.

Dass ich bei meiner jetzigen Arbeit mit TumorpatientInnen und deren Angehörigen zu tun haben werde, war mir klar. Wie eine Krebsberatung jedoch genau abläuft und inwiefern sie sich von einer psychotherapeutischen Sitzung unterscheidet, war mir jedoch – ehrlich gesagt – nicht ganz klar. So setzte ich mich zuerst mit dem Begriff der Psychoonkologie auseinander und war direkt schon bei der zentralen Frage: Welche Unterstützungsmöglichkeiten brauchen speziell KrebspatientInnen überhaupt? Denn Diagnose und Verlauf einer Krebserkrankung bringen das psychische Gleichgewicht häufig durcheinander.

Psychoonkologische Angebote

Studien zeigen, dass bei circa 60% der Betroffenen hohe seelische Belastungen auftreten. Diese Belastungen haben zwar noch keinen Krankheitswert und können teilweise auch von selbst wieder zurückgehen. Sie können jedoch auch ein so starkes Ausmaß annehmen, dass daraus eine Krankheit wird – durchschnittlich ein Drittel aller KrebspatientInnen leiden an einer psychischen Erkrankung [1].

Es ist mittlerweile nachgewiesen, dass psychosoziale Interventionen für Betroffene und Angehörige wirksam deren Belastungen reduzieren [2] und demnach, vor allem wenn sie frühzeitig erfolgen, auch die Gefahr der Entstehung sowie der Chronifizierung psychischer Störungen [3]. Daher sind psychoonkologische Unterstützungsangebote wichtig und notwendig. Glücklicherweise wurde das Versorgungsnetz in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut. Psychoonkologische Versorgung findet in Deutschland sowohl im stationären (Akutkliniken, Rehabilitationskliniken) als auch im ambulanten Bereich statt. Bei den ambulanten Angeboten kann man zwischen psychosozialen Krebsberatungsstellen einerseits und (psychoonkologischer) Psychotherapie andererseits unterscheiden [4].

Und damit sind wir wieder bei der Frage, wie sich die beiden Bereiche eigentlich voneinander unterscheiden. Auch Patienten stellen sich auf der Suche nach psychoonkologischer Unterstützung oft die Frage: „Was brauche ich? Beratung – oder doch eine Therapie?“ Daher möchte ich hier kurz beide Möglichkeiten erläutern.

Beratung versus Psychotherapie

Indikation und Kosten

Ein Unterscheidungsmerkmal ist die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse. Eine Psychotherapie darf nur bei medizinisch begründeter Indikation durchgeführt werden [5, 6], d.h. die Diagnosekriterien für eine psychische Störung müssen erfüllt sein, damit die Behandlungskosten von den Krankenkassen übernommen werden. Die Therapie muss also zuerst bei der Krankenkasse beantragt werden, was meist eine Weile dauert. Zudem gibt es bei niedergelassenen PsychotherapeutInnen häufig lange Wartezeiten. Gerade bei KrebspatientInnen müssen die Behandelnden aufgrund der schweren körperlichen Erkrankung zeitlich flexibel sein, weshalb der Bedarf nach Unterstützung durch ambulante Psychotherapie nur bedingt gedeckt werden kann [4].

Bei psychischen Belastungen, die sich noch nicht zum Vollbild einer psychischen Erkrankung entwickelt haben, ist Psychotherapie demnach nicht erstattungsfähig. Zu den häufigsten Symptomen dieser Art bei KrebspatientInnen zählen allgemeine psychische Belastung (sogenannter Distress), Ängste (vor allem Progredienzangst, die Angst vor einer Verschlechterung des Zustands) sowie eine niedergeschlagene Grundstimmung [3].

In diesen Fällen kann eine ambulante Krebsberatungsstelle, wie hier am Tumorzentrum, unterstützen. Dort finden Klientinnen ein niedrigschwelliges Angebot, bei dem sie zeitnah und kostenfrei beraten werden. Die Beratung dient daher unter anderem auch der Einschätzung des psychischen Unterstützungsbedarfs, der Vermittlung von Therapieangeboten und möglicherweise auch der überbrückenden Unterstützung, bis die Weiterversorgung im Rahmen einer Psychotherapie gewährleistet werden kann.

Zielsetzung des Gesprächs

Ein weiterer Unterschied zwischen psychosozialer Beratung und Psychotherapie ist die Zielsetzung des Gesprächs. Bei einer Beratung verfolgt die Psychologin von sich aus kein eigenes Ziel. Sie orientiert sich mit ihrer Beratung an den Anliegen der Ratsuchenden. Eine Beratung wird häufig in Anspruch genommen, wenn Menschen Unterstützung in der Erfüllung von Pflichten bzw. beim Erreichen von Zielen benötigen. Es liegt dabei jedoch ausschließlich in der Verantwortung der ratsuchenden Person, welche Konsequenzen sie aus den in der Beratung gewonnenen Informationen zieht.

In der Psychotherapie hingegen hat die behandelnde Person eine sogenannte Fürsorgepflicht. Das bedeutet, sie muss Verantwortung für die PatientInnen übernehmen und gegebenenfalls auch Ziele verfolgen, die möglicherweise den aktuellen Vorstellungen der PatientInnen widersprechen (z.B. Abstinenz bei Suchterkrankten). Demnach bringt die behandelnde Person in der Psychotherapie klare Zielvorstellungen in die Behandlung mit ein, während sie sich in der Beratung den Anliegen der KlientInnen unterordnet und sie je nach Beratungsauftrag begleitet [6].

Beratung an einer ambulanten Krebsberatungsstelle

Inhaltlich geht es in psychosozialen Krebsberatungsstellen außerdem darum, die PatientInnen im Rahmen unterstützender Gespräche bei psychischen und sozialen Problemen zu entlasten sowie sie mit sozialrechtlichen Informationen zum Thema Sozialleistungen und wirtschaftlichen Hilfen zu unterstützen (z.B. Krankengeld, Rehabilitation, Schwerbehinderung, Erwerbsminderungsrente). Die Krebsberatungsstellen übernehmen hierbei auch eine Art Lotsenfunktion, indem sie die PatientInnen auf regionale Versorgungsangebote hinweisen, denn sie kooperieren dabei mit diversen Fachleuten, Institutionen und Selbsthilfegruppen [7]. Um den vielfältigen Anliegen Betroffener bestmöglich gerecht werden zu können, bestehen Beratungsstellen meist aus multidisziplinären Teams, in denen beispielsweise SozialpädagogInnen, PsychologInnen, PsychotherapeutInnen, ÄrztInnen und Verwaltungsfachkräfte in engem Austausch zusammenarbeiten [3].

Die Krebsberatungsstelle des Tumorzentrums

Die psychosoziale Krebsberatungsstelle des Tumorzentrums ist ebenfalls mit unterschiedlichen Professionen besetzt. Meine Kollegin Frau Amann ist Sozialpädagogin und Psychoonkologin, was bedeutet, dass sie noch um einiges fitter in sozialrechtlichen Anliegen ist als ich. Ich als Psychologin, kann dagegen eher einschätzen, ab wann psychische Belastungen Krankheitswert haben und ob eine Psychotherapie sinnvoll ist. Des Weiteren arbeiten wir interdisziplinär eng mit den anderen beiden Beratungsstellen des Tumorzentrums zusammen: der Beratungsstelle für Ernährung und Krebs sowie der Beratungsstelle für Komplementärmedizin und Naturheilkunde. Was das für Sie bedeutet, können Sie hier nachlesen.

Für uns alle am Tumorzentrum ist das Wichtigste, Sie in dieser schwierigen Lebensphase mit der Tumorerkrankung zu unterstützen – wir tauschen uns aus und arbeiten eng zusammen, um Sie auf ihrem persönlichen Weg bestmöglich zu begleiten.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Thema Psychoonkologie und psychosoziale Unterstützung für KrebspatientInnen finden Sie in der Patientenleitlinie Psychoonkologie:

Psychoonkologie_Patientenleitlinie_DeutscheKrebshilfe.pdf

 

Weitere Unterstützungsangebote finden Sie auf unserer Homepage im Bereich Krebsberatung: 

https://www.tumorzentrum-muenchen.de/beratung.html.

Quellen

[1] AWMF. (2016). Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Psychoonkologie. Psychosoziale Unterstützung für Krebspatienten und Angehörige. Patientenleitlinie.

[2] Kapfhammer, H. P. (2015). Psychoonkologie. Der Nervenarzt86(3), 255-257.

[3] AWMF. (2014). Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3 Leitlinie Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten, AWMF-Registernummer: 032/051OL.

[4] Mehnert, A., & Hartung, T. J. (2015). Psychoonkologische Versorgungsforschung. Der Nervenarzt86(3), 258-265.

[5] Herschbach, P. (2015). Psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen bei Krebs. Der Nervenarzt86(3), 274-281.

[6] Linden, M. (2016). Beratung in Abgrenzung zur Psychotherapie. Psychotherapeut61(4), 279-284.

[7] Singer, S., Hornemann, B., Bruns, G., & Petermann-Meyer, A. (2016, March). Organisation der psychoonkologischen Versorgung. In Forum (Vol. 31, No. 2, pp. 124-129). Springer Berlin Heidelberg.


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