Plastik in unseren Lebensmitteln – wie gefährdet sind wir?

Im März 2018 veröffentlichte die Bildzeitung einen erschreckenden Artikel: „Plastik-Insel jetzt vier Mal so groß wie Deutschland!“ Eine andere Horrormeldung aus den Medien in diesem Jahr lautete „Muscheln enthalten Mikroplastik“ [1]. Rewe bietet seit 2017 keine Plastiktüten mehr an. In vielen anderen Geschäften zahlt man mittlerweile für eine Tüte, was oftmals die positive Wirkung hat, dass auf ein „Sackerl“ verzichtet wird. Der Verbraucher ist längst auf das Thema „Plastik und die Auswirkungen auf die Umwelt“ aufmerksam gemacht geworden. Doch darüber hinaus hat Plastik auch negative Folgen für unsere Gesundheit …

 

Wovon sprechen wir?

Plastik an sich ist ein hartes, sprödes Material. Aus diesem Grund werden oftmals Phthalate als Weichmacher zugefügt. Phthalate sind chemisch gesehen Phthalsäureester [2]. Häufig verwendete Versionen sind zum Beispiel DEHP (Diethylhexylphthalat), DIDP (Diisodecylphthalat), DINP (Diisononylphthalat) oder DBP (Dibutylphthalat). Westeuropa produziert pro Jahr etwa eine Million Tonnen Phthalate [3]. Sie werden hauptsächlich als Weichmacher für Weich-PVC, etwa in Bodenbelägen, Tapeten, Kinderspielzeug oder Lebensmittelverpackungen eingesetzt.

Ein ebenso gängiger, aber chemisch anders strukturierter Weichmacher ist Bisphenol-A (BPA). Diese Industriechemikalie ist in Polycarbonat und Epoxidphenolharzen enthalten. Polycarbonat wird z. B. bei der Herstellung von Babyflaschen, Mikrowellengeschirr und Mehrwegflaschen verwendet. Mit Epoxidphenolharzen werden Getränke- und Konservendosen oder Metalldeckel von Gläsern und Flaschen beschichtet [4].

 

Phthalate in der Ernährung

Phthalate sind chemisch nicht fest an Kunststoff gebunden. Sie können im Kontakt mit Lebensmitteln, vor allem mit Fetten und Ölen, in diese übergehen. DEHP & Co. dürfen seit 2015 laut EU-Chemikalienverordnung REACH in der EU nicht mehr bei der Herstellung von Endprodukten verwendet werden. Für die Verpackung fetthaltiger Lebensmittel ist DEHP bereits seit 2007 verboten [4]. Dennoch gelangen Phthalate ins Essen und damit in den menschlichen Organismus. Weichmacher können nämlich während der industriellen Verarbeitung in die Lebensmittel gelangen, wenn beispielsweise PVC-Schläuche für Öl verwendet werden. Besonders belastet sind demnach fetthaltige, verarbeitete Lebensmittel (z.B. Fastfood). Dies zeigte eine aktuelle Studie der George Washington Universität (USA): Je mehr fetthaltige verarbeitete Lebensmittel verzehrt werden und je höher deren Verarbeitungsgrad ist, desto mehr Weichmacher werden aufgenommen [5].

Erschwerend kommt hinzu, dass importierte Waren weiterhin Weichmacher wie DEHP enthalten dürfen.

Für den Weichmacher BPA gilt, dass geringe Mengen durch Wasser aus den Kunststoffen herausgelöst werden und in Lebensmittel übergehen können [6].

 

Gesundheitliche Risiken

Phthalate wirken unterschiedlich auf den menschlichen Körper: Manche dieser Substanzen (z.B. DEHP, DBP) beeinträchtigen das hormonelle Gleichgewicht. Dadurch kann beispielsweise die Fortpflanzungsfähigkeit von Männern reduziert werden. Andere Stoffe wie DINP und DIDP schädigen hauptsächlich die Leber [3]. In Zell-Studien hat sich zudem gezeigt, dass Phthalate das Voranschreiten (Zellvermehrung, Wanderung der Zellen) verschiedener Krebserkrankungen fördern [7].

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat stellvertretend für alle Phthalate DEHP bewertet. Die aufgenommenen Mengen sind normalerweise so gering, dass kein Gesundheitsrisiko besteht. Sie liegen unterhalb der Menge, die täglich ein Leben lang ohne gesundheitsschädigende Effekte aufgenommen werden kann [2].

Zu der Belastung mit DEHP kommt die Belastung mit anderen Industriechemikalien, die ähnliche Wirkungen haben können und damit das Gesundheitsrisiko zusätzlich erhöhen.

BPA kann im menschlichen Körper auch hormonähnlich wirken. Es wird rasch abgebaut und ausgeschieden. Eine Krebs auslösende Wirkung ist nicht bekannt. Offizielle Gremien bewerten die BPA-Belastung als ungefährlich [6].

 

Empfehlung für den Verbraucher

Laut BfR können alle Grundnahrungsmittel Weichmacher enthalten [2]. Unter dem Link reach-info.de/auskunftsrecht.htm stellt das Umweltbundesamt ein Antragsformular zur Verfügung, mit dem Verbraucher schnell und unkompliziert erfragen können, ob ein bestimmtes Produkt mit schädlichen Stoffen belastet ist. Hersteller, Importeure oder Handel müssen innerhalb von 45 Tagen auf die Anfrage reagieren.

In der Regel enthalten Lebensmittel keine gesundheitsgefährdenden Konzentrationen. Verbrauchern empfiehlt das BfR, sich abwechslungsreich zu ernähren, Speisen frisch zuzubereiten, wenig Fertigprodukte zu sich zu nehmen sowie die Produktmarken öfter zu wechseln [2]. Das Risiko einzelner Chemikalien mag zwar laut offizieller Einschätzung nicht besorgniserregend sein, unklar bleibt jedoch die Frage, ob sich die Risiken addieren könnten. Deshalb sollte man diese Stoffe, so gut es eben geht, meiden.

 

 

Quellen:
[1] J. Li et al., „Microplastics in mussels sampled from coastal waters and supermarkets in the United Kingdom,“ Environmental Pollution, pp. 35-44, 2018.
[2] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), „Fragen und Antworten zu Phthalat-Weichmachern,“ 7. Mai 2013. [Online]. Available: https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_phthalat_weichmachern-186796.html. [Zugriff am 6. Juli 2018].
[3] Umweltbundesamt, „Häufige Fragen zu Phthalaten bzw. Weichmachern,“ 21 November 2016. [Online]. Available: https://www.umweltbundesamt.de/themen/gesundheit/umwelteinfluesse-auf-den-menschen/chemische-stoffe/weichmacher/haeufige-fragen-zu-phthalaten-bzw-weichmachern. [Zugriff am 6 Juli 2018].
[4] Ernährungsumschau, „Umweltbundesamt (UBA) und Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Weichmacher DEHP wird hauptsächlich über Lebensmittel aufgenommen,“ Ernährungsumschau, p. M372, 10 Jul 2013.
[5] A.R. Zota et al., „Recent Fast Food Consumption and Bisphenol A and Phthalates Exposures among the U.S. Population in NHANES, 2003-2010.” Environ Health Perspect., Nr. 124, p.1521-1528, 2016.
[6] Deutsche Gesellschaft für Ernährung, „Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.,“ [Online]. Available: https://www.dge.de/presse/pm/bisphenol-a-aus-plastikbehaeltnissen-gefaehrdet-verbraucher-nicht/. [Zugriff am 20 Juli 2018].
[7] C.F. Tsai et al., „Curcumin Suppresses Phthalate-Induced Metastasis and the Proportion of Cancer Stem Cell (CSC)-like Cells via the Inhibition of AhR/ERK/SK1 Signaling in Hepatocellular Carcinoma,“ J Agric Food Chem, Nr. 63, p. 10388−10398, 2015.

 

Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

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