Süßstoffe_krebserregend

Sind Süßstoffe krebserregend?

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Zucker wurde in der Mitte des vorigen Jahrhunderts noch als wertvolles Gut gehandelt. Mittlerweile ist er ziemlich in Verruf geraten, so dass dringend Alternativen gesucht werden. Denn wer regelmäßig viel Zucker (mehr als 50 g freien Zucker – dazu später mehr) aufnimmt, hat ein höheres Risiko für Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen [1-3].

Viele Leute greifen daher zu alternativen Süßungsmitteln wie Süßstoffen, um die negativen Auswirkungen zu vermeiden. In den letzten Monaten gerieten diese jedoch wieder einmal in den Fokus der Medien, da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Konsum von Süßstoffen abriet und den Süßstoff Aspartam als „möglicherweise krebserregend“ einstufte [4]. Dieses Statement sorgte für große Verwirrung. Wie das WHO-Statement einzuordnen ist, und noch vieles mehr über Süßstoffe, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Süßstoffe als Zuckeralternative

Künstliche Zuckeralternativen, auch Süßungsmittel genannt, enthalten weniger Energie als Zucker und sind besser für die Zähne, weil sie keine Karies verursachen.

Die Fachliteratur unterscheidet zwischen Süßstoffen (auch Zuckerersatzstoffen) und Zuckeraustauschstoffen. Süßstoffe sind zumeist synthetisch und chemisch nicht mit Zucker verwandt, weswegen sie ein Zulassungsverfahren der European Food Safety Authority (EFSA) durchlaufen müssen. Sie liefern fast keine Kalorien und haben trotzdem eine sehr hohe Süßkraft.

Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Xylit, Mannit oder Isomalt hingegen kommen auch natürlicherweise in Früchten oder Gemüse vor, sie müssen also nicht extra zugelassen werden. Sie sind ebenfalls kalorienärmer als Zucker, allerdings können Zuckeraustauschstoffe in sehr großen Mengen abführend wirken. [5]

Auf den ersten Blick könnte man denken, Süßstoffe seien die idealen Alternativen zu Zucker: kaum Kalorien, keine Karies und kaum Nebenwirkungen. Daher wohl auch die hohen Verzehrzahlen. Doch was sagt die wissenschaftliche Datenlage zu Vor- und Nachteilen? Helfen Süßstoffe bei der Gewichtskontrolle? Und sind sie tatsächlich krebserregend?

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Süßstoffe und Übergewicht

Eine kürzlich erschienene wissenschaftliche Übersichtsarbeit hat bei Erwachsenen und bei Kindern keinen Zusammenhang zwischen dem Austausch von Zucker durch alternative Süßungsmittel und einem geringeren Körperfettanteil gezeigt [6].

Dieser Zusammenhang deutet darauf hin, dass der bloße Austausch von Zucker mit alternativen Süßungsmitteln auf lange Sicht noch nicht zu einer Gewichtsreduktion führt. Die WHO hat aufgrund der Datenlage 2023 eine neue Empfehlung herausgegeben, in der davon abgeraten wird, alternative Süßungsmittel zur Gewichtskontrolle oder zur Risikoreduktion bei Erkrankungen wie Diabetes einzusetzen [4].

Stattdessen empfiehlt das WHO-Expertenkomitee aus der Abteilung für Ernährung und Lebensmittelsicherheit, die freien Zucker auf anderen Wegen zu reduzieren, wie zum Beispiel durch die Verwendung von  Lebensmitteln mit natürlich vorkommendem Zuckergehalt wie Obst oder ungesüßte Getränke [7]. (Mit „freiem Zucker“ sind jene Zucker gemeint, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen, sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich vorkommende Zucker. Zucker, die natürlicherweise in intaktem Obst und Gemüse sowie in Milch und Milchprodukten vorkommen, sind nicht gemeint.)

Außerdem empfiehlt die WHO für den Verzehr von zugesetztem Zucker eine Obergrenze von 10% der täglichen Energieaufnahme – was ungefähr 50 g entspricht –, um die Ernährungsqualität zu erhöhen und das Risiko für Adipositas und Herz-Kreislauferkrankungen etc. zu verringern [3].

Süßstoffe_Aspartam

Was ist Aspartam?

Aspartam ist einer von elf in der EU zugelassenen und sehr häufig verwendeter Süßstoff. Aspartam wird seit den 1980er Jahren den unterschiedlichsten Lebensmitteln und Getränken zugesetzt, wie zum Beispiel Diätlimonade, Bonbons, Kaugummi oder Eis.

Wie alle anderen Süßstoffe wurde Aspartam erst nach umfangreicher toxikologischer Prüfung durch die EFSA in der EU zugelassen. Die bestätigte Tagesdosis, also die Menge, die pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag lebenslang aufgenommen werden kann, ohne zu einem gesundheitlichen Risiko zu werden, liegt bei 40 mg. Ein 70 kg schwerer Erwachsener dürfte demnach täglich 9-14 Dosen kalorienfreien Softdrink trinken, der durchschnittlich 200-300 mg Aspartam enthält.

Aspartam und Krebsrisiko

Aspartam in dieser Dosis wurde von der WHO aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage als „möglicherweise krebserregend“ (IARC-Klasse 2B) eingestuft [8]. Auch wenn es zunächst vielleicht „gefährlich“ klingt, ist das die niedrigste Risikokategorie. In diese Risikokategorie wurde Aspartam eingeteilt, weil es derzeit lediglich sehr begrenzte Hinweise bei Menschen und Tieren darauf gibt, dass Aspartam die Entstehung von Krebs begünstigt. Dies bedeutet: Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit für weitere Forschung, ob, und wenn ja, wie Aspartam Krebs verursachen könnte.

Trotzdem werden Verbraucher*innen durch widersprüchliche Botschaften in den Medien verunsichert. So gibt es beispielsweise weiterhin kontroverse Diskussionen über die Verwendung von Süßstoffen und speziell darüber, ob sie ein Gesundheitsrisiko darstellen, und ob sie möglicherweise gar die Entstehung von Krebs oder anderen chronischen Erkrankungen beeinflussen.

Bis heute gibt es aber keine substanziellen Hinweise, dass Süßstoffe die Entstehung von solchen Erkrankungen begünstigen. Daher bekräftigte der WHO-Ausschuss erneut, dass es für eine Person sicher ist, innerhalb der oben genannten Grenze Aspartam zu sich zu nehmen.

Nach wie vor ist Aspartam also sicher und verursacht keine direkten Nebenwirkungen bei den üblichen Verzehrmengen.

Süßstoffe und andere „Mythen“

Auch andere vermutete negative Effekte von Süßstoffen konnten bislang nicht durch Studien beim Menschen belegt werden. Beispielsweise verursachen Süßstoffe – entgegen der landläufigen Meinung – keine Appetitsteigerung [10]. Sie verstärken auch nicht die Vorliebe für Süßes, sie erhalten diese nur aufrecht [11].

Außerdem kann man nicht pauschal sagen, dass Süßstoffe unsere Darmbakterien aus dem Gleichgewicht bringen. Die Beeinflussung der intestinalen Mikrobiota, also unserer guten Darmbakterien, hängt von individuellen Faktoren und vom Typ des Süßstoffs ab [12]. Dabei muss man berücksichtigen, dass auch Zucker eine Veränderung der Mikrobiota bewirkt [13].

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Fazit

Süßstoffe müssen eine umfangreiche Sicherheitsüberprüfung durchlaufen, bevor sie in der EU zugelassen werden. Sie können aufgrund ihres niedrigen Kaloriengehalts zu einem Energiedefizit beitragen, aber sind als alleinige Diätmaßnahme wahrscheinlich nicht erfolgreich. Viel wichtiger ist es, die gesamte Ernährung auf eine bedarfsdeckende Ernährung ohne Kalorienüberschuss umzustellen, um das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten wie Adipositas und Diabetes zu reduzieren.

Wer sich gesund ernähren möchte, sollte beispielsweise möglichst Wasser und ungesüßte Tees anstelle von Softdrinks trinken, den Zuckerkonsum auf die empfohlene Menge reduzieren und Süßstoffe nur in Maßen konsumieren.

Literaturstellen:

  1. Redaktion Ernährungsumschau, Süß- und Zuckeraustauschstoffe: Diät- und Light-Getränke als gesündere Alternative? Ernährungs Umschau, 2023.
  2. World Heahlth Organization (WHO), Carbohydrate intake for adults and children: WHO guideline. 2023. p. 100.
  3. World Health Organization (WHO), Guideline: Sugars intake for adults and children. 2015: Geneva.
  4. World Heahlth Organization (WHO). Use of non-sugar sweeteners: WHO guideline. 2023 15.05.2023 30.10.2023]; Available from: https://www.who.int/publications/i/item/9789240073616.
  5. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), 13. DGE-BW-Forum: Süßungsmittel – Dokumentationsband. 2014: Bonn.
  6. Rios-Leyvraz, M. and J. Montez, Health effects of the use of non-sugar sweeteners: a systematic review and meta-analysis. 2022, Geneva. 210.
  7. World Heahlth Organization (WHO). WHO advises not to use non-sugar sweeteners for weight control in newly released guideline. 2023 15.05.2023 30.10.2023]; Available from: https://www.who.int/news/item/15-05-2023-who-advises-not-to-use-non-sugar-sweeteners-for-weight-control-in-newly-released-guideline.
  8. Riboli, E., et al., Carcinogenicity of aspartame, methyleugenol, and isoeugenol. The Lancet Oncology, 2023. 24(8): p. 848-850.
  9. World Heahlth Organization (WHO). Aspartame hazard and risk assessment results released. 2023 22.08.2023]; 14.07.2023:[Available from: https://www.who.int/news/item/14-07-2023-aspartame-hazard-and-risk-assessment-results-released#:~:text=%E2%80%9CThe%20assessments%20of%20aspartame%20have,by%20more%20and%20better%20studies.%E2%80%9D.
  10. Wilk, K., et al., The Effect of Artificial Sweeteners Use on Sweet Taste Perception and Weight Loss Efficacy: A Review. Nutrients, 2022. 14(6): p. 1261.
  11. Appleton, K.M., Repeated exposure to and subsequent consumption of sweet taste: Reanalysis of test meal intake data following the repeated consumption of sweet vs non-sweet beverages. Physiology & Behavior, 2021. 229: p. 113221.
  12. Suez, J., et al., Personalized microbiome-driven effects of non-nutritive sweeteners on human glucose tolerance. Cell, 2022. 185(18): p. 3307-3328.e19.
  13. Kawano, Y., et al., Microbiota imbalance induced by dietary sugar disrupts immune-mediated protection from metabolic syndrome. Cell, 2022. 185(19): p. 3501-3519.e20.
Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

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