Trauer

Ich bin nicht allein mit meiner Trauer – Unterstützungsangebote

Wie bereits in unserem ersten Blogartikel zum Thema Trauer beschrieben, ist das Gefühl der Trauer ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit in der Krebsberatungsstelle. Allgemein kann es hilfreich sein, Zeiten der Trauer nicht allein anzugehen, sondern sich Unterstützung zu holen. Gleichzeitig ist es oft gerade dann besonders schwer, Kräfte zu mobilisieren, und nach geeigneten Anlaufstellen zu suchen. Aus diesem Grund haben wir mit zwei Expertinnen auf dem Gebiet der Trauer gesprochen, um Ihnen entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten vorzustellen.

Frau Glas und Frau Wender, Sie arbeiten bei einem ambulanten Hospizdienst. Was genau ist das?

Unterstützung_Krebs

Bei uns melden sich Menschen mit einer lebensbegrenzenden Diagnose – entweder auf eigenen Wunsch hin oder auf Rat ihres Behandlungsteams (behandelnde Ärzte, Palliativdienst, Entlassmanagement des Krankenhauses). Häufig haben die Betroffenen bereits verschiedene Therapien durchlaufen, die zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme an ihre Grenzen gestoßen sind, oder die Betroffenen haben für sich entschieden, in ihrer letzten Lebensphase ihren Fokus vor allem auf die Lebensqualität auszurichten. Im ersten Schritt erfolgt erst einmal eine Beratung – meist in Form eines Hausbesuchs. Wir verschaffen uns im Gespräch mit den Betroffenen einen Überblick über die aktuelle Situation und sondieren das bestehende Helfernetzwerk. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse unterstützen wir die erkrankten Personen und ihre Angehörigen dabei, ein ihrer Situation angemessenes Unterstützungssystem im häuslichen Umfeld aufzubauen, z.B. durch ambulante Pflegedienste, spezialisierte ambulante Palliativteams (SAPV) oder aber je nach Situation auch durch Sprechstunden in der Palliativmedizin. Sobald die medizinischen und pflegerischen Aspekte geklärt sind, können wir Sie durch ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen unterstützen. Wir bieten bei uns die entsprechende Ausbildung an und teilen die Hospizbegleiter:innen dann den Betroffenen zu. Die Hospizbegleiter:innen „schenken“ den Betroffenen bis zu 4 Stunden in der Woche Zeit für Gespräche, kleinere Aktivitäten oder um den Angehörigen den Rücken frei zu halten. Genauere Infos zu dieser Tätigkeit können Sie im bereits erschienenen Blogartikel „Interview mit einer Hospizbegleiterin“ nachlesen.

Sie beide arbeiten unter anderem als Trauerbegleiterinnen. Worin besteht der Unterschied zur Arbeit von Hospizbegleiter:innen?

Trauer

Um das beantworten zu können, geht es erst einmal um die Frage, ab wann Trauerbegleitung eigentlich beginnt. Bei der Hospizbegleitung geht es auch bereits ums Abschiednehmen und damit auch ums Trauern: Abschied nehmen von der körperlichen Unversehrtheit und von geliebten Personen. Der zentrale Unterschied von Hospizbegleitung und Trauerbegleitung ist vor allem der Zeitpunkt. Ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen begleiten innerhalb eines Systems, solange die erkrankte Person lebt. Diese Begleitungen sind demnach unterschiedlich lang. Die Hospizbegleitung endet mit dem Versterben der erkrankten Person. Nach dem Tod beginnt dann die Arbeit der „klassischen“ Trauerbegleitung. Diese Trennung ist wichtig; sie schafft mehr Neutralität. Es entsteht ein neuer Abschnitt, in dem die trauernde Person auch von jemand anderem begleitet wird, unter anderem um nicht im vorherigen Abschnitt verhaftet zu bleiben.

Wie kann man sich die „klassische“ Trauerbegleitung vorstellen?

Trauer_Krebs

Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. In der Regel wird zuerst ein Erstgespräch durchgeführt und in den meisten Fällen findet die Trauerbegleitung in Einzelbegleitung statt. Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten wie z.B. Trauercafés oder Trauergruppen. Die Einzelbegleitung folgt keinem vorgefertigten Konzept, sondern ist sehr individuell. Dementsprechend ist nicht von vornherein festgelegt, wie viele Termine stattfinden werden. Ein erster Termin wird meist sehr zeitnah (ca. innerhalb einer Woche) vergeben. Grundsätzlich sollen Trauernde dabei unterstützt werden, sich selbstwirksamer zu fühlen, indem Ressourcen aktiviert werden. Es sollen auch  angenehme Gefühle wieder geweckt werden, indem man gemeinsam die Erfahrungen mit der verstorbenen Person erinnert und als Geschenk mitträgt. Außerdem geht es auch darum, wie sich die Situation wieder zum Leben hin orientieren kann. Wichtig ist auch, dass die Trauernden die Erfahrung machen können, dass jemand gemeinsam mit ihnen die Trauer aushält und nicht wegläuft, da Trauernde in ihrem Umfeld oft erleben müssen, dass sie andere mit ihrer Trauer „stören“ oder die Trauer mit Ratschlägen abgetan wird. Die klassische Einzelbegleitung findet meist im Büro der Trauerbegleiter:in statt. Teilweise wird jedoch auch ein anderes Setting genutzt, z.B. ein gemeinsamer Spaziergang oder ein Besuch am Grab der verstorbenen Person.

Sie haben eben auch andere Angebote als die Einzel-Trauerbegleitung erwähnt. Wann ist denn welches Angebot sinnvoll und gibt es dabei Einschränkungen?

Trauercafé

Das niedrigschwelligste Angebot sind Trauercafés, in denen Trauernde in der Regel ohne Anmeldung bei Kaffee und Kuchen zusammenkommen und sich austauschen können – jedoch nicht müssen. Meist sind währenddessen Trauerbegleiter:innen und/oder Seelsorger:innen vor Ort. Eine weitere Möglichkeit sind Trauergruppen. Diese sind häufig dann geeignet, wenn der Verlust schon etwas zurückliegt (in der Regel mindestens ½ Jahr). Wie lange genau, ist jedoch schwer zu sagen, da der Verlauf des Trauerns sehr unterschiedlich ist. Wichtige Voraussetzung für solche Gruppen ist, dass man im Rahmen seiner Trauer bereits eine konstruktive Arbeitshaltung einnehmen kann, etwa, dass man in der Lage ist, an konkreten Themen (z.B. Umgang mit Jahrestagen) zu arbeiten und dafür mit anderen Gruppenmitgliedern ins Gespräch kommen kann. Hier steht man im Gegensatz zur Einzelbegleitung mit seiner eigenen Trauer nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Für die Einzelbegleitung gibt es hingegen keine Voraussetzungen. Sie ist ganz akut unmittelbar nach dem Versterben der geliebten Person, aber auch viel später bis hin zu Jahren nach dem Verlust möglich. Wichtig ist jedoch, dass die Trauerbegleitung keiner Psychotherapie entspricht oder diese gar ersetzt. Das bedeutet: Wenn die Prozesse pathologisch sind, muss entsprechend an Psychotherapeut:innen verwiesen werden. Für die Trauerbegleitung gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich der Ursache des Verlusts; allerdings gibt es für bestimmte Fälle (z.B. Verlust durch Suizid, Verlust eines Kindes) spezialisiertere Organisationen, die sich unter Umständen besser für eine Begleitung eignen. Insgesamt gibt es neben den bereits genannten noch alle möglichen Angebote mit dem Vorsatz „Trauer“: Trauerreisen, Trauerwanderungen, Trauerspaziergänge und vieles mehr. Geeignete Anlaufstellen, um entsprechende Unterstützungsmöglichkeiten zu finden, sind häufig Hospizdienste (zu finden über den Wegweiser Hospiz- und Palliativversorgung Deutschland), Bestattungsunternehmen, Kirchengemeinden oder Alten- und Servicezentren.

Viele Klient:innen fragen uns, ob sie „richtig“ trauern bzw. was sie beachten müssen, um nichts „falsch“ zu machen in Bezug auf ihre Trauer. Wie würden Sie diese Frage beantworten?

Trauerbegleitung_Krebs

Wie in unserer Gesellschaft mit den Themen Tod und Trauer umgegangen wird, sehen wir teilweise kritisch. Es gibt viele Ängste und wenig Kapazitäten in Bezug auf Trauer und trauernde Menschen. Das merkt man auch bereits daran, wie die Trauernden zu uns in die Trauerbegleitung kommen. Natürlich suchen einige auch selbst aktiv die Unterstützung. Sehr häufig jedoch wird die Notwendigkeit einer Unterstützung vom Umfeld der Hinterbliebenen angeregt, z.B. wenn dieses der Meinung ist, dass die Trauer „zu lange“ geht oder „zu stark“ ist. Oft wirkt es so, als dächten die Menschen: „Jetzt ist jemand gestorben, da muss man sofort Hilfe besorgen.“. Das Umfeld kann nahestehende trauernde Personen häufig kaum aushalten. Es ist wichtig, dass die Menschen lernen, dass Trauer keine Krankheit oder Störung ist, sondern diese als normales Phänomen annehmen. Wir müssen uns darauf rückbesinnen, dass es eine in uns angelegte Fähigkeit ist, bei Verlusten zu trauern, und dass wir das auch können. In Wirklichkeit ist Trauer alles andere als krankhaft, sondern die natürliche Reaktion auf Verlust. Das Trauern selbst kann einem niemand abnehmen. Es ist ein Prozess, den man selbst durchlaufen muss, und der sehr individuell ist. Unterstützung von außen kann dabei allerdings durchaus hilfreich sein. Wichtig ist es auf jeden Fall, Geduld mit sich zu haben und sich Zeit dafür zu geben. Außerdem ist ein guter Kontakt zu sich selbst, d.h. die Fähigkeit in sich selbst hineinzuspüren, förderlich. Zudem hilft es, mutig zu sein, sich auf die eigenen Kräfte und Fähigkeiten zu verlassen und gegebenenfalls lieber früher als später Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wichtig sind auch die Fragen: „Gibt es Menschen, die ein Auge auf mich haben?“ und „Was tut mir gut und was tut mir nicht gut, und kann ich das selbst für mich beantworten oder brauche ich dabei Hilfe?“. Des Weiteren ist es wichtig, den Fokus auch auf die eigenen Ressourcen zu richten. Beispielsweise ist das eigene soziale Netz ein wichtiger Rückhalt, und man sollte sich auch trauen, es mit der eigenen Trauer zu belasten. Professionelle Unterstützung im Sinne einer Trauerbegleitung kann jedoch auch hilfreich sein, um die eigenen Beziehungen nicht über die Maße zu beanspruchen. Insgesamt verfolgen wir den Ansatz, dass wir die trauernde Person in den Fokus setzen, sehr viel Wert auf Zuhören legen und davon ausgehen, dass die Person selbst am besten weiß, was für sie gut ist. Wir als Trauerbegleiter:innen geben dabei lediglich Hilfestellung.

Was ist für Sie selbst wichtig, um nach der Arbeit auch wieder Abstand zum Thema Trauer und Sterben nehmen zu können?

Wir leben bewusster in unserer Freizeit. Wir stellen uns oft die Frage: „Was ist, wenn mein Leben vorbei ist? Was würde ich dann bereuen, nicht getan zu haben?“. Und dann versuchen wir die Dinge umzusetzen, sobald es geht, und nicht so viel aufzuschieben.

Gibt es noch etwas, dass Sie den Leser:innen zum Abschluss mitgeben möchten?

Haben Sie den Mut, über das Thema Trauer zu sprechen, und schweigen Sie nichts tot.

Wir möchten uns ganz herzlich bei Susanne Glas und Ute Wender vom ambulanten Hospizdienst der Caritas München für das Gespräch und den Einblick in ihre Arbeit bedanken.

Kontakt:

Caritas Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung München

Kreittmayrstr. 29
80335 München

Tel.: 089 126600 – 16


Einen Kommentar hinterlassen:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.