Das Wandern ist des Müllers Lust…

Gesungen habe ich auf meiner Wanderung am vergangen Wochenende allerdings nicht (ist vielleicht auch besser so …). Dafür habe ich bei angenehmen Temperaturen das goldene Herbstwetter, den Panoramablick und nette Gesellschaft genossen. Eine willkommene Abwechslung zum Alltag – mein Körper, mein Geist und meine Gesundheit freuten sich über diese Auszeit und Stärkung in den Bergen. Vor ein paar Wochen ging es für einen Blogbeitrag schon einmal bildlich „aufi aufn Berg“: der steile Berg stand als Symbol für das Tumor-assoziierte Fatigue-Syndrom. Für die Patientin Gisela M. ging es, nachdem die richtige Diagnose einer „Fatigue“ gestellt worden war, endlich bergauf. Diese Woche geht es auch bei uns bergauf, und zwar ganz praktisch: Denn Wandern ist eine körperliche Belastung, die sich optimal als Bewegungstherapie eignet, um neben den Nebenwirkungen zum Beispiel auch dem Fatigue-Syndrom entgegenzuwirken.

Wandern und Gesundheit

Internationale Krebsgesellschaften beispielsweise empfehlen als Therapie und Prävention 150 Min. moderate Belastung pro Woche [1, 2]. Bei entsprechender Dosierung führt Wandern genau zu einer solchen moderaten Belastung. Neben den, aus einem vorherigen Beitrag, schon bekannten Vorteilen von Bewegung für Körpergewicht, Stoffwechsel und Immunsystem [3], ist die Bewegungstherapie eine sinnvolle Therapieoption der Fatigue [4]. Das chronische Erschöpfungsbefinden hat viele verschiedene Ursachen und Auswirkungen [5]. Bekannt ist, dass das Fatigue-Syndrom mit einem entzündlichen Milieu im Körper einhergeht und dass Bewegung diesem entgegenwirkt, indem sogenannte entzündungshemmende Zytokine (Botenstoffe) ausschüttet werden [6]. Das Gefühl der Erschöpfung und Mattigkeit scheint zudem an einem „vagalen Stimulus“ zu liegen, der von dem Vagusnerv1 gesteuert wird [7]. Man nimmt an, dass körperliche Aktivität durch eine sogenannte Sympathikusaktivierung2 diesem Ungleichgewicht entgegenwirkt [8].

Ein weiterer wesentlicher Punkt bei Fatigue ist die Psyche. Wichtig ist, wie sich ein Patient fühlt und wie zufrieden er ist. Auch hier sind Aktivitäten wie das Wandern sinnvoll, denn sie steigern die Leistungsfähigkeit auf angenehme Weise, wodurch auch die Lebensqualität der Patienten zunimmt [9]. Der Aufenthalt in der Natur und somit das Wandern ist hierfür besonders gut geeignet, denn es ist eine sichere und genussvolle Aktivität [10, 11]. Eine abwechslungsreiche Landschaft aus Wäldern, Gipfeln, Tälern und Wiesen mit ihren Düften und Farben ist viel faszinierender als die immer gleiche Wand im Fitnessstudio. Eine Studie mit gesunden Teilnehmern ergab, dass Wandern nicht nur Zufriedenheit und Ruhe vermittelt, sondern auch Ängste und Müdigkeit reduziert – und zwar viel besser als eine Indoor-Aktivität [11].

Praktische Tipps fürs Wandern

Das Wandern ist eine Tätigkeit, die sich individuell dosieren lässt. Man muss nicht direkt die Zugspitze erklimmen! Und generell gilt, sich nicht zu überfordern, sondern auf den eigenen Körper zu hören und seine Kräfte maßvoll einzusetzen. Die körperliche Aktivität soll so sein, dass Sie sich dabei wohlfühlen. Und bedenken Sie, dass Sie auch wohlbehalten vom Berg wieder herunterkommen müssen. Widerstehen Sie dem Ehrgeiz, unbedingt den Gipfel zu erreichen, wenn Sie merken, dass Sie beim Aufstieg bereits sehr außer Atem geraten sind und die Kräfte nachlassen. Umkehren ist keine Schande! Ein 30-minütiger Spaziergang auf einen nahegelegenen Hügel ist unter Umständen mehr wert als die zweistündige Tour zu einem imposanten Gipfel, den Sie vollkommen erschöpft und kraftlos erreichen. Klopfen Sie sich selber auf die Schulter für jeden Spaziergang und jede Wanderung und seien Sie mit sich zufrieden.

Des Weiteren empfiehlt es sich, alle Unternehmungen in der Natur in Begleitung zu machen. Denken Sie auch daran, genügend zu trinken und Wechselkleidung für den Abstieg einzupacken, damit Sie sich nicht wegen der verschwitzten Sachen verkühlen (das berühmte „Gipfelhemd“)! Und belohnen Sie sich für die Wanderung: Eine leckere Gipfelbrotzeit oder ein kühles Getränk in schöner Umgebung nach einer anstrengenden Wanderung sind perfekte Motivatoren, solche Erlebnisse möglichst bald zu wiederholen.

Wir wünschen Ihnen noch einige schöne und sonnige Herbsttage, die Sie für einen Ausflug in die Berge nutzen können. Aber auch an warmen Winter- oder ersten Frühjahrstagen können Wanderungen zu durchgehend bewirtschafteten Almen ein guter Ausgleich zum vielen Drinnensitzen in der dunklen Jahreszeit sein.

1 Vagusnerv: ist der größte Nerv des sogenannten „Parasympathikus“ und an der Regulation der Tätigkeit von fast allen inneren Organen des Körpers, inklusive Darm, Herz und Lungen verantwortlich.

2 Sympathisches Nervensystem: Es ist der Gegenspieler des parasympathischen Nervensystems und wirkt allgemein aktivierend.

Quellen:

  1. Kushi, L.H., et al., American Cancer Society Guidelines on nutrition and physical activity for cancer prevention: reducing the risk of cancer with healthy food choices and physical activity. CA: a cancer journal for clinicians, 2012. 62(1): p. 30-67.
  2. International Agency for Research on Cancer (IARC). European Code against cancer. 2016 29.10.2019]; Available from: https://cancer-code-europe.iarc.fr/index.php/en/.
  3. McTiernan, A., Mechanisms linking physical activity with cancer.Nature Reviews Cancer, 2008. 8(3): p. 205.
  4. Zimmer, P. and J.U. Rüffer, Fatigue-Syndrom, in Sport und körperliche Aktivität in der Onkologie. 2012, Springer. p. 69-78.
  5. Horneber, M., et al., Cancer-related fatigue: epidemiology, pathogenesis, diagnosis, and treatment. Deutsches Ärzteblatt International, 2012. 109(9): p. 161.
  6. Febbraio, M.A., et al., Glucose ingestion attenuates interleukin‐6 release from contracting skeletal muscle in humans. The journal of physiology, 2003. 549(2): p. 607-612.
  7. Ryan, J.L., et al., Mechanisms of cancer-related fatigue. Oncologist, 2007. 12 Suppl 1: p. 22-34.
  8. Barsevick, A., et al., I’m so tired: biological and genetic mechanisms of cancer-related fatigue.Qual Life Res, 2010. 19(10): p. 1419-27.
  9. Lötzerich, H. and C. Peters, Krebs und Sport: Einfluss eines moderaten Ausdauertrainings auf Psyche und Immunsystem. 1997: Sport und Buch Strauss.
  10. Jenkins, D.W. and A. Jenks, Hiking with DiabetesRisks and Benefits. J Am Podiatr Med Assoc, 2017. 107(5): p. 382-392.
  11. Niedermeier, M., et al., Affective responses in mountain hiking-A randomized crossover trial focusing on differences between indoor and outdoor activity. PLoS One, 2017. 12(5): p. e0177719.

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