Sie beißt und brennt ganz schauderhaft, doch hat sie auch geheime Kraft – die Brennnessel

Schon beim Schreiben des Wortes „Brennnessel“ schaudere ich. Und das nicht nur wegen der drei „n“, die die neue Rechtschreibung verlangt, sondern aus schmerzlicher Erinnerung an ein „in die Nesseln setzen“. Eine Berührung der Brennhaare, die an Stängel und Blättern sitzen [1], ist wie jeder weiß eine sehr unangenehme körperliche Erfahrung. Auf derartige Situationen im übertragenen Sinn bezieht sich diese Redensart.

Brennnesselgewächse (Urticaceae) findet man weltweit in milden, gemäßigten Klimaregionen [2]. Das blühende Kraut wird im Juni oder Juli geerntet, wobei man darauf achten muss, dass verholzte Stängel und entfärbte Blätter nicht mitgeerntet werden. [3]. Beim Pflücken von Wildkräutern gibt es einige Dinge zu beachten, hier zunächst nur so viel: Bitte denken Sie daran, die Pflanze niemals mit der Wurzel aus der Erde zu reißen und immer einen Teil des Stängels stehen zu lassen, damit neue Pflanzen nachwachsen können [4].

Und wie vermeidet man beim Pflücken das Brennen bzw. wie „verbrenne“ ich mir beim Essen nicht den Mund an der Brennnessel (Urtica L.)? Die obersten, jüngsten Blätter brennen noch nicht. Am besten nähert man sich den Brennnesselblättern von unten oder mit Gummihandschuhen und schneidet die Blätter oder Blüten mit einem Messer oder einer Schere ab. Um eventuell vorhandene Brennhaare zu entfernen, walzt man die Blätter mit einer Glasflasche oder Ähnlichem auf einem Schneidebrett oder blanchiert die gewaschenen Blätter kurz in kochendem Wasser [1, 3].

Naturheilkundliche Anwendungsgebiete und Wirkungen

Die volksmedizinische Nutzung der Brennnessel geht bis ins Altertum zurück. Sowohl Blätter und Wurzel als auch Früchte bzw. Samen finden Verwendung. Bekannt ist vor allem der Einsatz der Brennnesselblätter in Tees bzw. Teemischungen (2-4 g bis zu 3 Mal täglich), die aufgrund ihrer wassertreibenden (diuretischen) Wirkung bei Harnwegsbeschwerden Bestandteil der Durchspülungstherapie sind [3]. Außerdem unterstützt Brennnesseltee die Behandlung von Flüssigkeitsansammlungen oder „schweren Beinen“ und gehört mit seinen aktivierenden, ausleitenden Eigenschaften zur naturheilkundlichen Basistherapie zahlreicher Erkrankungen (z.B. Stoffwechselstörungen, rheumatische, allergische Erkrankungen).

Brennnesselzubereitungen aus Blättern (Brennnesselmus), Extrakte der Wurzel oder ein Tonikum aus den fetten Ölen der Früchte können innerlich bzw. äußerlich angewendet antientzündlich und schmerzlindernd bei verschiedenartigen rheumatischen oder entzündlichen Beschwerden wirken [3, 5]. Besonders die Wurzel wird häufig zur Linderung von Beschwerden im Bereich der ableitenden Harnwege bei vergrößerter Prostata (= Hyperplasie) eingesetzt [6, 7].

Aufgrund der zahlreichen sekundären Pflanzenstoffe besitzt die Brennnessel neben anti-entzündlichen auch antioxidative und antimikrobielle Eigenschaften [2], weshalb sie eine interessante Arzneipflanze für die Krebsforschung darstellt. Mittlerweile gibt es auf diesem Gebiet einige Zellstudien, die eine potentielle Unterstützung im Kampf gegen Krebs bestätigen [8, 9]. Doch die Forschung steht hier noch am Anfang und die Ergebnisse sind noch nicht auf den Menschen übertragbar. Eine gewisse vor Krebs schützende Wirkung scheint allerdings durchaus gegeben zu sein [1].

Ernährung

Brennnesseln enthalten nicht nur viele sekundäre Pflanzenstoffe, sondern auch eine Fülle an Vitaminen, Mineralstoffen und Aminosäuren [2]. Besonders hohe Werte weist die Pflanze bei Vitamin C und Eisen auf [10]. Vor allem Letzterem verdankte die Brennnessel wahrscheinlich ihren traditionellen Einsatz bei Anämie (Blutarmut) bzw. zur allgemeinen Kräftigung [11].

Die Brennnessel ist eine alte Gemüsepflanze, die hauptsächlich wie Spinat (z.B. mit Zwiebeln, Knoblauch, Muskat und Rahm) zubereitet wird. Ihr Grundgeschmack wird als spinatartig, aber viel aromatischer und würziger als dieser beschrieben [1]. Auch Brennnesselsuppe ist durchaus bekannt. Darüber hinaus eignet sich das Kraut auch sehr gut als Füllung für Pastaspezialitäten wie Lasagne oder herzhafte Strudel oder Quiches. Ebenso beliebt sind Wildkräutersalate und -pestos, die neben anderen Kräutern auch Brennnessel enthalten. Die Pflanze wurde früher sogar als Ersatz für Lab bei der Käseherstellung sowie – wegen ihrer antimikrobiellen Eigenschaften – zur Konservierung von Lebensmitteln eingesetzt [11]. Auch die Samenkörner der Brennnessel werden gern verzehrt, beispielsweise als nussige Beigabe im Frühstücksmüsli. Freuen Sie sich bereits auf einen der nächsten Blogartikel, in dem wir Ihnen leckere Wildkräuterrezepte vorstellen.

Quellen:

  1. Fleischhauer, S.G., J. Guthmann, and R. Spiegelberger, Enzyklopädie – Essbare Wildpflanzen. 2013: at-Verlag.
  2. Kregiel, D., E. Pawlikowska, and H. Antolak, Urtica spp.: Ordinary Plants with Extraordinary Properties. Molecules, 2018. 23(7).
  3. Pfister, T. and R. Stiller, Heilkräuter im Garten – pflanzen, ernten, anwenden. 1. Auflage ed. 2014, Bern: Haupt Verlag.
  4. Redaktion Ernährungsumschau. Zeit für Wildes: Kräutersammeln in der Stadt. 2019 03.07.2019 12.07.2019]; Available from: https://www.ernaehrungs-umschau.de/news/01-07-2019-kraeutersammeln-in-der-stadt/.
  5. Franciskovic, M., et al., Chemical Composition and Immuno-Modulatory Effects of Urtica dioica L. (Stinging Nettle) Extracts. Phytother Res, 2017. 31(8): p. 1183-1191.
  6. Wehrberger, C., et al., [Phytotherapy of benign prostate syndrome and prostate cancer: better than placebo]. Urologe A, 2012. 51(12): p. 1674-82.
  7. Chrubasik, J.E., et al., A comprehensive review on the stinging nettle effect and efficacy profiles. Part II: urticae radix. Phytomedicine, 2007. 14(7-8): p. 568-79.
  8. Mansoori, B., et al., Urtica dioica extract suppresses miR-21 and metastasis-related genes in breast cancer. Biomed Pharmacother, 2017. 93: p. 95-102.
  9. Mohammadi, A., et al., The Urtica dioica extract enhances sensitivity of paclitaxel drug to MDA-MB-468 breast cancer cells. Biomed Pharmacother, 2016. 83: p. 835-842.
  10. Belščak-Cvitanović, A., et al., Nettle (Urtica dioica L.) extracts as functional ingredients for production of chocolates with improved bioactive composition and sensory properties. Journal of food science and technology, 2015. 52(12): p. 7723-7734.
  11. Kavalali, G., Urtica – Therapeutic and nutritional aspects of stinging nettles, R. Hardman, Editor. 2003, Taylor & Francis Group: London.
Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

Einen Kommentar hinterlassen:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.