Chili oder das „heißeste“ Gewürz der Welt

Passend zu den hohen Temperaturen richten wir das Rampenlicht heute auf das „heißeste“ Gewächs der Welt (englisch hot: heiß, scharf), das nach Salz und Pfeffer auch als das beliebteste Gewürz weltweit gilt [1]: Chili oder „Chile“, wie es in seiner mittelamerikanischen Heimat genannt wird. Auf der Suche nach den Ursprüngen des wertvollen, schwarzen Pfeffers stieß Columbus in Amerika auf diesen für damalige Verhältnisse günstigen, heutzutage in aller Welt beliebten Pfefferersatz.

Der botanische Hintergrund des Chili ist wirklich spannend. Er gehört nämlich vorrangig zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), deren Früchte meist Beeren sind. In dieser Beeren-Familie gibt es allerdings die Untergruppe (Gattung) Paprika. Je nach Größe, Farbe und Geschmack bzw. Schärfe werden in dieser Gattung unzählige Sorten unterschieden. Die große, teilweise fast süßlich schmeckende Gemüsepaprika gehört genauso zu dieser Gruppe wie die kleinen, scharfen Chilischoten, Peperoni, Peperoncini oder wie sie sonst noch genannt werden. Um die Verwirrung komplett zu machen, wird diese Namensvielfalt dadurch erschwert, dass die Mexikaner ein und demselben Chili je nach Zustand unterschiedliche Namen geben, so groß ist der Geschmacksunterschied zwischen frisch und getrocknet für sie. So nennen sie beispielsweise ein Poblano-Chili in getrockneter Form „Ancho“ [1].

Ernährung und Gesundheit

Für das „Feuer“ der Chilis ist hauptsächlich das Alkaloid Capsaicin verantwortlich, das in den Trennwänden und Kernen der Schote in der höchsten Konzentration vorliegt. Möchte man die Schärfe etwas abmildern, entfernt man diese Pflanzenteile also am besten.

Neben dem gesundheitsfördernden Capsaicin – manche werden es kaum glauben, dass der mitunter sogar als schmerzhaft empfundene Scharfstoff auch gut für die Gesundheit sein kann – enthält die Schote auch viele andere positive Mikronährstoffe. Beispielsweise viel Vitamin A und C, Magnesium und Kalium. Eine Chilischote, von der man allerdings nicht viel auf einmal essen kann, liefert etwa zweimal so viel Vitamin C wie eine Orange. 

Wir alle kennen Chili als bewährtes, Hitze erzeugendes Schmerzmittel und als Bestandteil von Salben. Doch obwohl solche Capsaicin-Salben in einer Studie von Patienten zum beliebtestes Schmerzmittel bei Kniearthrose gekürt wurden [2], empfinden viele Menschen die kurz nach dem Auftragen entstehende Wärme als unangenehmes Brennen und reagieren sogar mit Hautreizungen [3]. Sofort wird Ihnen jetzt in den Sinn kommen, dass Chili auch den Magen-Darm-Trakt reizen kann. Doch hier gehen die Meinungen auseinander, denn es gibt auch Studien, die einen schützenden Effekt von Chili auf den Verdauungstrakt nachweisen [4-8].

Darüber hinaus soll die rote Schote den Stoffwechsel ankurbeln, gut für das Herz-Kreislaufsystem sein und sogar eine krebsvorbeugende Wirkung haben. Doch was ist dran an diesen Behauptungen?

1. Stoffwechsel: Der Verzehr von Chili beschleunigt zum Beispiel leicht die Kalorienverbrennung [9, 10] und senkt den Appetit. Doch liest man Übersichtsartikel, wird schnell klar, dass die Datenlage hier keinesfalls eindeutig ist und dass Chili kein Wundermittel im Kampf gegen Übergewicht darstellt, sondern lediglich die Gewichtsreduktion leicht unterstützen bzw. das Gewichthalten nach einer Diät etwas erleichtern kann [11].

2. Herz-Kreislaufsystem: Eine Studie zeigt beispielsweise, dass 30 g Chili täglich über vier Wochen die Cholesterinpartikel im Blut vor der schädlichen Oxidation schützen [12]. Außerdem kann eventuell mit diesen 30 g Chili (täglich, einen Monat lang) der Ruhepuls gesenkt und die Herzmuskelfunktion verbessert werden könnte – beides Symptome für ein stärkeres Herz [13]. Die vorsichtige Formulierung zeigt allerdings, dass auch hier nur ein minimaler Effekt zu erwarten ist, und das bei riesigen Mengen.

3. Krebs: Zwar zeigt sich Capsaicin im Labor als potenter Krebsgegner [14, 15], doch aufgrund der unliebsamen Nebenwirkungen wie Bauchkrämpfen oder einem brennenden Gefühl sind die Einsatzmöglichkeiten also in der Klinik begrenzt [16]. Das hat dazu geführt, dass aktuell intensiv zu Capsaicin-ähnlichen Substanzen geforscht wird.

In der Küche

Capsaicin ist sehr resistent. Es wird beim Kochen nicht zerstört. Im Übrigen macht ihm sogar Kälte nichts aus, man kann Chilis also auch gut einfrieren. Im Handel findet man die feurigen Schoten frisch, eingelegt oder getrocknet, als Pulver, gehackt oder ganz. Übrigens besteht Chilipulver normalerweise nicht nur aus getrocknetem, gemahlenem Chili, wie man vielleicht meinen könnte, sondern enthält noch weitere Gewürze wie etwa Kreuzkümmel. Ganz im Gegensatz zu Cayenne-Pfeffer, bei dem es sich um reines Chilipulver handelt.

Da Chili so beliebt ist und sich regelrechte Fanclubs aus eingefleischten Chili-Liebhabern gebildet haben, wurde zur objektiven Messung der Schärfe eine eigene Einheit entwickelt, die Scoville-Skala. Mittlerweile werden immer schärfere Chilis gezüchtet. Die Hersteller scharfer Saucen liefern sich einen harten Wettbewerb um die Spitze der Skala. Im Internet wird „Blair’s 16 Million Reserve“ mit unglaublichen 16 Millionen SCU (Scoville) als schärfstes Gewürz der Welt genannt – sogar der Hersteller rät dringend vom Verzehr ab. Zum Vergleich: eine Jalapeño-Chili liegt ungefähr zwischen 2.500 und 8.000 SCU, der sehr beliebte Tabasco zwischen 2.500 und 5.000 SCU, reiner Cayenne-Pfeffer zwischen 30.000 und 50.000 SCU. Den Hype um die Schärfe kann es sicher nur geben, da beim häufigen Verzehr von Chili bzw. Capsaicin ein Gewöhnungseffekt eintritt und so mit viel „Training“ auch extreme Geschmackserfahrungen möglich sind.

Für den normalen Hausgebrauch gilt, was in vielen Rezepten empfohlen wird: tragen Sie Plastik- oder Gummihandschuhe beim Verarbeiten von Chilis und berühren Sie währenddessen nie die Haut oder Augen mit den Händen. Sollte es doch mal ins Auge gehen, spülen Sie die Augen mehrmals mit kaltem Wasser aus (natürlich erst nachdem sie sich die Hände gründlich mit Seife gewaschen haben). Und hat man sich einmal zu viele Scoville-Einheiten zugemutet, helfen am besten Milch oder Joghurt.

Quellen

  1. Aggarwal, B.B. and D. Yost, Heilende Gewürze – Wie 50 heimische und exotische Gewürze Gesundheit erhalten und Krankheiten heilen können. Vol. 2014. 2014, Kandern: Narayana Verlag GmbH.
  2. Fraenkel, L., et al., Treatment options in knee osteoarthritis: the patient’s perspective. Arch Intern Med, 2004. 164(12): p. 1299-304.
  3. Reinharth, D., Capsaicin Cream Unpopular With Patients. JAMA Internal Medicine, 2005. 165(6): p. 702-702.
  4. Holzer, P., M.A. Pabst, and I.T. Lippe, Intragastric capsaicin protects against aspirin-induced lesion formation and bleeding in the rat gastric mucosa. Gastroenterology, 1989. 96(6): p. 1425-1433.
  5. Kang, J.Y., et al., Effect of capsaicin and chilli on ethanol induced gastric mucosal injury in the rat. Gut, 1995. 36(5): p. 664-669.
  6. Yeoh, K.G., et al., Chili protects against aspirin-induced gastroduodenal mucosal injury in humans. Digestive Diseases and Sciences, 1995. 40(3): p. 580-583.
  7. Raimura, M., et al., Neuronal nitric oxide synthase-derived nitric oxide is involved in gastric mucosal hyperemic response to capsaicin in rats. Pharmacology, 2013. 92(1-2): p. 60-70.
  8. Patcharatrakul, T. and S. Gonlachanvit, Chili Peppers, Curcumins, and Prebiotics in Gastrointestinal Health and Disease. Curr Gastroenterol Rep, 2016. 18(4): p. 19.
  9. Belza, A., E. Frandsen, and J. Kondrup, Body fat loss achieved by stimulation of thermogenesis by a combination of bioactive food ingredients: a placebo-controlled, double-blind 8-week intervention in obese subjects. Int J Obes (Lond), 2007. 31(1): p. 121-30.
  10. Lee, T.A., et al., Effects of dihydrocapsiate on adaptive and diet-induced thermogenesis with a high protein very low calorie diet: a randomized control trial. Nutr Metab (Lond), 2010. 7: p. 78.
  11. Tremblay, A., H. Arguin, and S. Panahi, Capsaicinoids: a spicy solution to the management of obesity? International Journal Of Obesity, 2015. 40: p. 1198.
  12. Ahuja, K.D. and M.J. Ball, Effects of daily ingestion of chilli on serum lipoprotein oxidation in adult men and women. Br J Nutr, 2006. 96(2): p. 239-42.
  13. Ahuja, K.D., et al., The effect of 4-week chilli supplementation on metabolic and arterial function in humans. Eur J Clin Nutr, 2007. 61(3): p. 326-33.
  14. Clark, R. and S.H. Lee, Anticancer Properties of Capsaicin Against Human Cancer. Anticancer Res, 2016. 36(3): p. 837-43.
  15. Zheng, J., et al., Spices for Prevention and Treatment of Cancers. Nutrients, 2016. 8(8).
  16. Friedman, J.R., et al., Anticancer Activity of Natural and Synthetic Capsaicin Analogs. J Pharmacol Exp Ther, 2018. 364(3): p. 462-473.
Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

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