Fasten_Gesundheit

16:8, 5:2 oder gar 36:12?

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Teil 1:  Erste Fakten über das Fasten

Nein, das sind keine Sportergebnisse aus der Kreisliga eines oberbayrischen Fußballvereins. Diese Zahlen beschäftigen die Medien derzeit aus einem ganz anderen Grund. Die Rede ist vom Intervallfasten oder, wie es auch genannt wird, intermittierendem Fasten. Das sind Diäten, bei denen innerhalb einer bestimmten Zeitperiode, beispielsweise im Laufe eines Tages oder einer Woche, regelmäßig Fastenintervalle wiederholt werden [1]. Essen – oder besser „Nicht-Essen“ – nach 16:8 (8 Stunden essen, 16 Stunden fasten) oder 5:2 (5 Tage essen, 2 Tage fasten) liegt im Trend. Doch was sagt die Wissenschaft zu diesem Thema: handelt es sich hierbei nur um eine Modeerscheinung oder ist es tatsächlich eine gesundheitsfördernde Maßnahme?

Laborversuche mit Tieren liefern interessante Ergebnisse. Sie deuten darauf hin, dass kurzzeitiger Nahrungsverzicht über Stunden oder gar Tage nicht nur die Ergebnisse vieler Gesundheitsparameter (Entzündungsmarker, Insulinspiegel etc.) verbessert, sondern auch das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurologische Erkrankungen und Krebs senkt [2]. Es zeigte sich zudem ein positiver Einfluss auf die Gehirnfunktion [3, 4]. Abhängig vom Alter, ab dem beispielsweise jeden zweiten Tag gefastet wurde, war den Tieren teilweise sogar ein längeres Leben beschert [5, 6]. 

Sind diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar?

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Versprochen wird in den Medien eine Gewichtsabnahme ohne Jojo-Effekt, eine dauerhafte Veränderung des Stoffwechsels und somit eine allgemeine Verbesserung der Gesundheit. „Tatsächlich gibt es erst wenige kleinere Studien (am Menschen) zum intermittierenden Fasten, die aber mit verblüffend positiven Ergebnissen für die Stoffwechselgesundheit aufwarten“, sagt Frau Ruth Schübel vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in einer Pressemitteilung [1].

Zu dem selben Schluss kommt eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2015. Horne und Kollegen [7] sind davon überzeugt, dass Fasten sich positiv auf die Gesundheit auswirkt und das Krankheitsrisiko für Diabetes mellitus Typ 2 und koronare Herzkrankheit reduzieren kann. Die Autoren fordern aber gleichzeitig größere Studien, damit Fasten als gesundheitsfördernde Maßnahme empfohlen werden kann.

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Das Intervallfasten scheint eine sichere Art der Gewichtsreduktion ohne nennenswerte negative Nebenwirkungen zu sein [8]. Die meisten Studien zeigen neben einer Gewichtsabnahme einen verbesserten Gesamtgesundheitszustand, gemessen an Parametern wie Insulinspiegel und Insulinwirkung [9, 10] sowie Cholesterinwerten [11]. Neuere Studien kommen allerdings zu dem Ergebnis, dass das Kurzzeitfasten (z.B. 5:2-Diät) keinen entscheidenden Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Diät (kontinuierliche Reduktion der Energiezufuhr um ca. 20%) hat [12-14]. Die wichtigste Methode zur Bekämpfung von Übergewicht ist es schlicht und einfach, das Gewicht zu reduzieren und zu halten; dabei ist die Frage nach den Intervallen zweitranging. Lediglich in Bezug auf den Erhalt der Muskulatur, die bei klassischen Abnehmprogrammen oft überproportional schnell dahinschmilzt, scheint das Kurzzeitfasten überlegen zu sein [9, 15].

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Manch einem mag es vielleicht leichter fallen, an zwei Tagen in der Woche diszipliniert zu essen, als jeden Tag Kalorien zu zählen. Hier muss jeder Übergewichtige ausprobieren, welche Diät am besten zu ihm passt. Doch auch beim Intervallfasten gilt: um das Gewicht nach dem Abnehmen zu halten, bedarf es einer Ernährungsumstellung, die möglichst in eine dauerhaft bedarfsgerechte und gesunde Ernährungsweise übergehen sollte [1]. Und diese Umstellung wird bei den meisten Formen des intermittierenden Fastens nicht erzielt, da diese Diätkonzepte keine oder nur sehr wenige Vorgaben zu einer sinnvollen Lebensmittelauswahl enthalten [8].

Fazit

Insgesamt lassen die Ergebnisse viele Fragen offen und viel Spielraum für Interpretationen. Die positiven Auswirkungen eines kurzfristigen Nahrungsverzichts – ob für Stunden oder Tage – auf die Gesundheit und die Gewichtsabnahme sind nicht zu leugnen. Allerdings sind weit mehr Daten aus größeren Studien notwendig, um die genauen Auswirkungen des Fastens abschätzen zu können [2]. Die Anzahl der vorhandenen Studien ist noch zu gering. Die Untersuchungen wurden mit wenigen Studienteilnehmern und nicht homogenen Gruppen von Testpersonen (Normalgewichtige, Übergewichtige etc.) durchgeführt. Die Unterschiedlichkeit der Formen des intermittierenden Fastens erschwert die Vergleichbarkeit der Untersuchungen noch zusätzlich. Untereinander wurden die Fastenarten (etwa 16:8 und 5:2) noch nicht verglichen. Ebenso können Langzeitfolgen oder Einflüsse auf Parameter wie Stimmung, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit beim Menschen noch nicht abgeschätzt werden [8]. Deshalb bleibt die Theorie des Fastens wissenschaftlich ein kontrovers diskutiertes Thema und das Spiel weiter spannend.

 

Bleiben Sie dran und erfahren Sie nächste Woche mehr über das Fasten während der Chemotherapie.

Quellen:

  1. Deutsches Krebsforschungszentrum (dkfz). Pressemitteilungen. Intervallfasten: Kein Vorteil gegenüber herkömmlichen Diäten 26.11.2018 04.03.2019]; Nr. 64: [Available from: https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/dkfz-pm-18-64-Intervallfasten-Kein-Vorteil-gegenueber-herkoemmlichen-Diaeten.php.
  2. Mattson, M.P., V.D. Longo, and M. Harvie, Impact of intermittent fasting on health and disease processes. Ageing Res Rev, 2017. 39: p. 46-58.
  3. Brandhorst, S., et al., A Periodic Diet that Mimics Fasting Promotes Multi-System Regeneration, Enhanced Cognitive Performance, and Healthspan. Cell Metab, 2015. 22(1): p. 86-99.
  4. Singh, R., et al., Late-onset intermittent fasting dietary restriction as a potential intervention to retard age-associated brain function impairments in male rats. Age (Dordr), 2012. 34(4): p. 917-33.
  5. Longo, V.D. and M.P. Mattson, Fasting: molecular mechanisms and clinical applications. Cell Metab, 2014. 19(2): p. 181-92.
  6. Xie, K., et al., Every-other-day feeding extends lifespan but fails to delay many symptoms of aging in mice. Nat Commun, 2017. 8(1): p. 155.
  7. Horne, B.D., J.B. Muhlestein, and J.L. Anderson, Health effects of intermittent fasting: hormesis or harm? A systematic review. Am J Clin Nutr, 2015. 102(2): p. 464-70.
  8. Backes, G., Heilfasten, Basenfasten, Intervallfasten – ein Überblick.DGEinfo, 2018(2): p. S. 18-25.
  9. Harvie, M., et al., The effect of intermittent energy and carbohydrate restriction v. daily energy restriction on weight loss and metabolic disease risk markers in overweight women. Br J Nutr, 2013. 110(8): p. 1534-47.
  10. Harvie, M.N., et al., The effects of intermittent or continuous energy restriction on weight loss and metabolic disease risk markers: a randomized trial in young overweight women. Int J Obes (Lond), 2011. 35(5): p. 714-27.
  11. Varady, K.A., et al., Effects of weight loss via high fat vs. low fat alternate day fasting diets on free fatty acid profiles. Sci Rep, 2015. 5: p. 7561.
  12. Headland, M.L., P.M. Clifton, and J.B. Keogh, Effect of intermittent compared to continuous energy restriction on weight loss and weight maintenance after 12 months in healthy overweight or obese adults. International Journal of Obesity, 2018.
  13. Sundfor, T.M., M. Svendsen, and S. Tonstad, Effect of intermittent versus continuous energy restriction on weight loss, maintenance and cardiometabolic risk: A randomized 1-year trial. Nutr Metab Cardiovasc Dis, 2018. 28(7): p. 698-706.
  14. Schübel, R., et al., Effects of intermittent and continuous calorie restriction on body weight and metabolism over 50 wk: a randomized controlled trial. Am J Clin Nutr, 2018. 108(5): p. 933-945.
  15. Varady, K.A., Intermittent versus daily calorie restriction: which diet regimen is more effective for weight loss? Obes Rev, 2011. 12(7): p. e593-601.
Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

Kommentare

16:8, 5:2 oder gar 36:12? — 1 Kommentar

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