Palmöl – eine kritische Beleuchtung

Die Italiener staunten nicht schlecht, als Ende 2016 von heute auf morgen viele ihrer Produkte in den Supermärkten ausgetauscht wurden. Seither prangt der Aufdruck „Ohne Palmöl“  auf den Verpackungen von Fertig-Pizzen, Schokoladen, Keksen und Grissini. Italien reagierte auf die lang geführte Debatte um das Pro- und Contra von Palmöl – und schlug sich auf die Seite der Kritiker [1].

Auch Deutschland nahm auf seine Art Stellung. Seit Dezember 2014 ist es hierzulande Pflicht, die „pflanzliche Herkunft von Ölen und Fetten“ im Zutatenverzeichnis anzugeben [2]. War früher die Sammelbezeichnung „pflanzliche Fette“ auf der Verpackung noch erlaubt, sind die Hersteller nach der neuen Verordnung verpflichtet, die genaue Beschaffenheit der Öle zu nennen, etwa Rapsöl, Olivenöl, oder eben Palmöl. Erst jetzt wird dem aufmerksamen Konsumenten bewusst, wie viel Palmöl in unseren Lebensmitteln steckt: Jährlich 586.525 Tonnen nehmen wir Deutschen in Form von Margarine, Backwaren, Schokolade, kakaohaltige Aufstriche, Eiscreme, Pizzen und anderen Fertigprodukten zu uns [3].

 

Gesundheit

Doch warum ist gerade das Öl der Elaeis guineensis (Ölpalme) so in Verruf geraten?
Betrachtet man die Inhaltstoffe, fällt zunächst auf, dass das Öl aus dem rötlichen Fruchtfleisch der Palmfrüchte etwa 50 Prozent gesättigte Fettsäuren enthält. Das Palmkernfett, gewonnen aus den Samenkernen der Ölpalme, beinhaltet bis zu 80% gesättigte Fettsäuren. Ernährungsphysiologisch gesehen ist dies ungünstig, da unser Organismus gerade auf die ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3-Fette angewiesen ist. Ein hoher Konsum gesättigter Fettsäuren hingegen ist unter anderem für einen erhöhten Cholesterinspiegel verantwortlich und wird in Verbindung mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen gebracht [4].
Weit mehr mediale Aufmerksamkeit wurde jedoch zwei weiteren Inhaltstoffen des Palmöls gewidmet. Es handelt sich um die Stoffe Glycidyl-Fettsäureester (GE) und 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD) sowie deren Fettsäureester. Diese Verbindungen entstehen, wenn Pflanzenöle über 200 Grad erhitzt werden. Dies geschieht zum Beispiel bei der Raffination (Reinigung) der Öle. Insbesondere dem Glycidol, Abbauprodukt der GE, wird eine genotoxische (erbgutschädigende) und karzinogene (krebserregende) Wirkung zugesprochen. Wie gesagt: Diese Stoffe entstehen bei jedem Pflanzenöl, das über 200 Grad erhitzt wird. Beim Palmöl sind die Konzentrationen mit etwa 2,9 mg/kg jedoch besonders hoch (im Vergleich zu Rapsöl mit < 0,1 mg/kg und Olivenöl mit etwa 0,3 mg/kg). Auch freie 3-MCPD wurden 2011 von der International Agency for Research on Cancer (IARC) der WHO als „möglicherweise kanzerogen für den Menschen“ eingestuft [5, 6].

 

Herausforderung für Umwelt und Gesellschaft

Trotz dieser gesundheitlichen Aspekte ist Palmöl ein immer beliebter werdender Rohstoff. Neben der Lebensmittelindustrie setzen Hersteller von Kosmetikprodukten, Wasch- und Reinigungsmittel als auch in der Bioenergie auf das kostengünstige Öl. Ein wesentlicher Vorteil der Ölpalme ist dabei ihr vergleichsweise hoher Ertrag bei einem geringen Flächenbedarf.
Haupterzeuger des Öls sind Malaysia und Indonesien. Sie produzieren zurzeit einen Großteil der weltweit über 60 Millionen Tonnen Palmöl und Palmkernöl. Besonders in Malaysia hat dieser Umstand jedoch zu einer enormen CO2-Emmission geführt – verursacht durch Rodung großer Gebiete des Regenwaldes, Entwässerung und Verbrennung von Torfböden. Schätzungen gehen von 33 Tonnen CO2-Ausstoßes für eine Tonne Palmöl aus. Auch Indonesien macht der Anbau riesiger Palmöl-Plantagen zu schaffen. Dank der wachsenden Produktion zählt es inzwischen zu den Ländern mit der am schnellsten voranschreitenden Zerstörung des Urwalds. Die Rodung des Waldes beeinträchtigt zudem den Lebensraum vieler vom Aussterben bedrohter Tiere wie Orang-Utan, Dschungeladler oder Sumatra-Tiger. Auch soziale Probleme wie die Vertreibung der indigenen Bevölkerung, Kinderarbeit, schlechte Arbeitsbedingungen, Dumping- Löhne, fehlende Rechte der Arbeitnehmer usw. werden durch die riesigen Palmöl-Plantagen gefördert [7, 3].

 

Gutes Öl? Böses Öl?

Dennoch kann man Palmöl nicht per se als schädlich einstufen. Es gilt hier wie fast überall: Ein vernünftiger Umgang mit unseren Rohstoffen ist entscheidend.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace initiierte zu diesem Zweck 2013 die „Palm Oil Innovations Group (POIG)“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Rodung, Landraub und Entrechtung der lokalen Bevölkerung, die oft mit der Palmölproduktion einhergehen, zu unterbinden. Auch andere Initiativen, wie das Forum Nachhaltiges Palmöl (FONAP), setzten sich für eine Verbesserung der Palmölproduktion ein. Es ist als positiv zu bewerten, dass immer mehr Unternehmen auf derart zertifiziertes Palmöl zurückgreifen und sich die Bedingungen für Bevölkerung und Umwelt so Schritt für Schritt verbessern. Hier kann der Konsument seinen Handlungsspielraum nutzen und selber beim Einkauf auf zertifiziertes Palmöl achten [8, 9].

Doch wie sieht es mit Alternativen aus? Der Ersatz von Palmöl durch andere tropische Pflanzenöle wie Kokosnuss- oder Sojaöle würde das Problem lediglich verlagern, wenn nicht gar verschärfen, da diese Pflanzenarten erheblich mehr Anbaufläche für den gleichen Ertrag benötigen. In Deutschland heimische Öle wie Sonnenblumen oder Rapsöle haben dagegen das Potenzial, das Palmöl sinnvoll zu ersetzten. Nachhaltig erzeugt, würden diese Öle sowohl die Gesundheit als auch die Umwelt positiv beeinflussen [3].

Zu erwähnen bleibt dennoch, dass auch Palmöl gute Inhaltstoffe besitzt: das nicht-raffinierte Öl (so genanntes „rotes Palmöl“) enthält unter anderem viel Vitamin E und Carotinoide. Diese Antioxidantien gehen jedoch zum großen Teil bei der Raffination verloren. Dank des hohen Anteils ungesättigter Fette ist Palmöl zudem von Natur aus fest und muss zur Anwendung als Margarine und dergleichen nicht industriell gehärtet werden. Es entstehen hier also keine gesundheitsgefährdenden Transfettsäuren [10].

Durch eine gezielte Auswahl des Rohproduktes und optimale Produktionsbedingungen lassen sich die kritischen Substanzen, die bei der Raffination des Palmöls entstehen, zumindest minimieren. Viele Hersteller von Lebensmitteln haben sich die Debatte der letzten Jahre zu Herzen genommen. So konnte der GE-Gehalt in Palmölen laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa)zwischen 2010 und 2015 um die Hälfte reduziert werden.
Als „besonders besorgniserregend“ stuft die Efsa hingegen die „GE-Exposition von Säuglingen [ein], die ausschließlich Säuglingsanfangsnahrung zu sich nehmen“ . Hier seien die „für die öffentliche Gesundheit als unbedenklich geltenden Wert bis zum Zehnfachen [überstiegen]“ [11].

 

Der Praxis-Tipp

Gute Verarbeitung und schonende Herstellung der Produkte sind ausschlaggebend. Schlecht raffiniertes Sonnenblumenöl beinhaltet unter Umständen mehr krebserregende Stoffe als gut raffiniertes Palmöl. Daher greifen Sie bei Ihrem Einkauf möglichst zu guten Ölen aus nachhaltiger Landwirtschaft, am besten von regionalen Betrieben.

Die Einschränkung des Verzehrs von Fertiggerichten, Eiscreme und Snacks wird – neben den positiven Auswirkungen auf die Gesundheit – auch den Palmöl-Verbrauch stark verringern können.

Wer komplett auf palmölfreie Lebensmittel setzen will, dem sei die Seite www.umweltblick.de empfohlen. Hier werden Lebensmittelhersteller aufgelistet, die ohne das Öl arbeiten

 

Quellen:

[1] U. Sauer, „Italien ringt ums Palmöl,“ Süddeutsche Zeitung, 14. Nov. 2016

[2] Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V., 13 Dez 2014

[3] Noleppa S; Cartsburg, M / agripol , „Auf der Ölspur – Berechnungen zu einer palmölfreieren Welt,“ 2016.

[4] American Institute for cancer research (AICR), „The facts about the fats in your foods,

[5] International Agencyfor research on cancer/ World health organization, „IARC-Monographs-101: 3-monochloro-1,2-propanediol

[6] Bundesinstitut für Risikobewertung , „Erste Einschätzung zur Bewertung der in raffinierten pflanzlichen Fetten nachgewiesenen Gehalte von Glycidol-Fettsäureestern – Stellungnahme Nr. 007/2009 des BfR,“ 10 März 2009.

[7] Greenpeace München, „Palmöl,“ 3. Okt. 2016.

[8] „Palm Oil Innovations Group Charter (POIG),“ 13 Nov 2013. Greenpeace e.V.

[9] Forum Nachhaltiges Palmöl

[10] E. Fattore und R. Fanelli, „Palm oil and palmitic acid: a review on cardiovascular effects and carcinogenicity.,“ Int J Food Sci Nutr., Bd. 64, Nr. 5, pp. 648-59, Aug 2013.

[11] Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit – EFSA, „Prozesskontaminanten in Pflanzenölen und Lebensmitteln,“ 3. Mai 2016.

Nina Maria Weber

Über Nina Maria Weber

Nina Maria Weber leitet gemeinsam mit Frau Kerschbaum die Beratungsstelle Ernährung und Krebs am Tumorzentrum München und beschäftigt sich viel mit dem Thema gesunder Genuss. ...

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