Akupunktur_bei_Krebs

Akupunktur bei Krebs

Die Akupunktur ist eine Behandlungsform, die seit mehreren tausend Jahren in Asien eingesetzt wird. In der westlichen Welt ist sie die am häufigsten angewandte Behandlungstechnik der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Neben der Heilkräutertherapie (TCM-Phytotherapie) und den Atem- und Entspannungstechniken (QiGong, TaiChi) ist sie die wichtigste Behandlungstechnik der TCM im Rahmen einer ergänzenden Therapie bei Krebs.

 

In dem folgenden Beitrag werden die Grundzüge der Akupunktur und deren wichtigste Anwendungsbereiche im Rahmen einer begleitenden Tumortherapie dargestellt. Betroffene sollten wissen, was unter der Akupunktur zu verstehen ist, welche Symptome einer Krebserkrankung oder welche Nebenwirkungen einer Krebstherapie mittels Akupunktur behandelt werden können und wie eine Akupunktur-Behandlung abläuft.

 

Dieser Blogartikel wurde freundlicherweise von Dr. med. Axel Eustachi verfasst.  Dr. Eustachi widmet sich seit langem komplementärmedizinischen Konzepten für KrebspatientInnen, insbesondere der Naturheilkunde, der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und der Akupunktur. Nach vielen Jahren universitärer Tätigkeit ist er nunmehr in eigener Praxis in München tätig.

Die Grundlagen der Akupunktur

Der aus dem Lateinischen stammende Begriff „Akupunktur“ bedeutet schlicht das Stechen mit einer Nadel zu therapeutischen Zwecken. Die chinesische Bezeichnung für diese Behandlungstechnik ist „Zhen Jiu“. Die Bedeutung dieses Begriffs ist mit „Stechen und Abbrennen“ zu übersetzen. Dies ist ein Hinweis auf die häufig sinnvolle Kombination von Nadelstichtechnik und Wärme-Anwendung. Letztere wird mit dem lateinischen Begriff „Moxibustion“ bezeichnet.

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In der Theorie der TCM wird dem Einstechen von Nadeln an bestimmten, genau definierten Punkten des Körpers eine Wirkung auf den Organismus zugeschrieben. Akupunktur-Punkte mit ähnlicher Wirkung im Sinne der TCM werden zu so genannten Leitbahnen oder Meridianen verbunden, die den Körper wie ein Netz überziehen.

Die Wirkung der Akupunkturpunkte kann sich in einer Wiederherstellung von eingeschränkten Körperfunktionen (z.B. verminderte Durchblutung) oder in der Beseitigung von Symptomen (z.B. Übelkeit, Schmerz) zeigen.

In traditionellen Beschreibungen wird die Akupunkturwirkung als Regulierung des Energieflusses in den Leitbahnen, als Auflösung von Stauungen oder als Ausgleich von ungleichen Energieverteilungen dargestellt.

Naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle beschreiben schmerzhemmende und regulative Vorgänge, in die unter anderem das Nervensystem, das Hormonsystem und die Durchblutung einbezogen sind.

Praktischer Ablauf einer Akupunkturbehandlung

Die Grundlage einer Akupunktur-Behandlung ist die individuelle TCM-Diagnose und das aktuelle Beschwerdebild der PatientInnen. Beides entscheidet darüber, welche Akupunkturpunkte in der jeweiligen Behandlungssitzung zur Anwendung kommen.

Unter der TCM-Diagnose versteht man die möglichst genaue Erhebung des funktionellen Zustandes der Betroffenen. Dazu gehört die Befragung bezüglich aktueller Beschwerden (z.B. Schmerz, Übelkeit), aber auch bezüglich körperlicher Funktionen wie beispielsweise Schlaf-Wach-Rhythmus, Wärme-Kälte-Regulation, körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, Verdauung und Appetit. Die chinesische Puls- und Zungendiagnose sind weitere diagnostische Hilfsmittel, die bei entsprechender Ausbildung der Ärztin/des Arztes die Auswahl der sinnvollen Punkte ermöglichen.

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Eine Akupunkturbehandlung findet im Liegen statt. Ideal ist eine ruhige Umgebungsatmosphäre, um eine möglichst tiefe Entspannung während der Akupunktursitzung zu ermöglichen. Ziel sollte sein, dass die PatientInnen die Akupunktur als angenehm empfinden.

Die Behandlungsdauer kann zwischen 20 Minuten bis zu einer Stunde liegen. In der Regel werden die Nadeln für 30 Minuten belassen.

Die Behandlungshäufigkeit kann variieren von einer Behandlung alle zwei Wochen bis zu mehreren Behandlungen pro Woche. In der Regel finden ein bis zwei Behandlungssitzungen pro Woche statt, abhängig vom Beschwerdebild und dem Ansprechen auf die Behandlung.

Die Gesamtzahl der Akupunkturen einer Behandlungsserie beträgt in den meisten Studien 10 bis 12 Behandlungen. Bei TumorpatientInnen mit akuten Beschwerden sollte die Behandlungshäufigkeit zunächst höher sein, mit kürzeren Intervallen, um möglichst schnell zu erkennen, ob die Akupunktur wirksam ist. Bei chronischen Problemen sind erfahrungsgemäß auch längere Intervalle möglich.

Wärmetherapie (Moxibustion)

Die Akupunktur führt zu einer Verstärkung der Durchblutung an der Einstichstelle der Nadel. Dies geht häufig mit einem subjektiven Wärmegefühl einher. Diese Wärmewirkung kann durch ein Anwärmen der Nadeln verstärkt werden. Dazu wird eine Wärmequelle (glimmendes Beifußkraut) an die Nadel gebracht. Dies führt bei korrekter Anwendung nicht zu Verbrennungen, sondern wird in aller Regel als angenehm wärmend empfunden. Bei vielen TumorpatientInnen besteht ein Gefühl der inneren Kälte im Rahmen einer chronischen Erschöpfung oder bei Gelenk- oder Muskelschmerzen. In diesen Fällen führt die Wärmetherapie häufig zu einer spürbaren Verbesserung der Akupunkturwirkung.

Die Vorteile einer Akupunkturbehandlung im Rahmen einer Krebs-Therapie 

  • Da es sich um eine reine Reiz-Reaktionstechnik handelt ohne die Verwendung von chemischen oder pflanzlichen Substanzen, sind ungünstige Wechselwirkungen mit Medikamenten zur Tumortherapie nach derzeitigem Stand sehr unwahrscheinlich.
  • Die Akupunktur ist für viele Symptome und Nebenwirkungen einer Tumorerkrankung und Tumortherapie als Behandlungsversuch geeignet.
  • Das Nebenwirkungsrisiko ist bei korrekter Anwendung gering.  
  • Die Akupunktur ist flächendeckend verfügbar und im Vergleich zu anderen unkonventionellen Verfahren eher kostengünstig.
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Wie können Krebs-PatientInnen von Akupunktur profitieren?

Die Akupunktur zeigte bislang vor allem bei Schmerzen in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien eine Wirksamkeit, bei geringem Risiko für Nebenwirkungen.

Mittlerweile liegen auch klinische Studien zur Akupunktur bei spezifischen Beschwerden von TumorpatientInnen vor, die zur Aufnahme dieser Behandlungstechnik in aktuelle Leitlinienempfehlungen zur Komplementärmedizin bei Krebserkrankungen geführt haben.

Eine Akupunkturbehandlung ist sinnvoll zur Behandlung bestimmter Symptome einer Krebserkrankung. Sie sollte aber stets in das gesamte medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungskonzept unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse der Betroffenen eingebettet sein.

Sie ist nicht zu empfehlen für Menschen mit ausgeprägter Angst vor Nadeln oder Injektionen. 

Zur alleinigen Behandlung einer Tumorerkrankung ist die Akupunktur nicht geeignet.

Die Wirkung der Akupunktur gilt als gesichert bei:

  • Gelenkschmerzen bedingt durch eine antihormonelle Therapie (1 – 3) sowie bei
  • Tumorschmerzen (4, 5)

Betroffenen sollte daher in diesen Fällen eine Akupunkturbehandlung angeraten werden. 

Bei den folgenden Symptomen einer Krebserkrankung oder -Behandlung gibt es ausreichend Hinweise auf eine Wirksamkeit der Akupunktur, die einen Therapieversuch rechtfertigen (6-10):

  • Angst
  • Depressivität
  • Ein- und Durchschlafstörungen
  • Fatigue (chronische Erschöpfung)
  • Wiederherstellung der Darmfunktion nach Darmoperationen
  • Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit
  • Eingeschränkte Lebensqualität
  • Hitzewallungen
  • Chemotherapie-bedingte periphere neuropathische Schmerzen
  • postoperative Schmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Mundtrockenheit
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Worauf Sie achten sollten:

AkupunkteurInnen sollten über eine entsprechende Ausbildung und möglichst über ausreichend Erfahrung in der Behandlung von TumorpatientInnen verfügen.

Die Kosten für eine Akupunktur-Behandlung im Rahmen einer Krebserkrankung müssen gesetzlich Versicherte in der Regel selbst zahlen. Bei privaten Krankenversicherungen werden die Kosten häufig ganz oder teilweise übernommen.

Eine Akupunktursitzung kostet zwischen 70 und 100 € pro Behandlung. Für die ärztliche Leistung (Erhebung der individuellen Erst-Anamnese, Puls und Zungendiagnostik, körperliche Untersuchung) fallen je nach Zeitaufwand zwischen 65 und 130 € an.

Vor einer Akupunkturbehandlung sollte eine Aufklärung über die Behandlungstechnik und die möglichen Risiken und Nebenwirkungen erfolgen.

Risiken und Nebenwirkungen:

Die häufigste Nebenwirkung der Akupunktur ist ein Schmerz beim Setzen der Nadel. Dieser kann als Ziehen oder Druck empfunden werden ähnlich einem Gefühl wie es bei Muskelkater entsteht. In der chinesischen Medizin wird ein solcher Schmerz als erwünscht angesehen und als positive Reaktion auf den Akupunkturreiz gewertet.

Allerdings ist dieses Gefühl keine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit der Akupunktur, da viele PatientInnen auch ohne dieses Gefühl von der Akupunktur profitieren.

Davon zu unterscheiden ist ein stechender, brennender oder elektrisierender Schmerz, der ebenfalls auftreten kann und eine unerwünschte Nebenwirkung darstellt. In der Regel ist dieser Schmerz nur kurz zu Beginn der Behandlung zu spüren. Wenn er sich nach wenigen Sekunden nicht bessert, wird der Sitz der Nadel korrigiert.

Eine weitere Nebenwirkung die im Laufe einer Behandlungsserie auftreten kann, sind kleine punktförmige Blutungen, die sich beim Entfernen der Nadel zeigen und in aller Regel nach wenigen Minuten zum Stehen kommen. In der Folge kann ein blauer Fleck (Hämatom) auftreten, das sich jedoch im Laufe von wenigen Tagen zurückbildet.

Wenn PatientInnen Medikamente zur Blutgerinnungshemmung nehmen, sollten sie Ihre/n Ärztin/Arzt vor der Akupunktur darüber informieren.

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Sehr seltene Nebenwirkungen

In sehr seltenen Fällen können kurzzeitige und vorübergehende vegetative Reaktionen auftreten wie beispielsweise:

  • starke Ermüdung nach der Behandlung
  • Schwitzen oder Schwächegefühl
  • Schlafstörung
  • eine Verstärkung des zu behandelnden Leidens
  • Kreislaufsymptome wie Schwindel, Herzrhythmusstörungen und Blutdruckabfall.

Wie bei einer Injektion auch besteht ein sehr geringes Entzündungs-Risiko.

In extrem seltenen Einzelfällen wurde berichtet, dass bei unzureichender Ausbildung der BehandlerInnen und nicht sachgerechter Benutzung von Akupunkturnadeln innere Organe wie Herz und Lunge verletzt wurden.

Die Übertragung von Bakterien oder Viren z. B. einer Leberentzündung (Hepatitis) oder von Aids (HIV) ist bei der Benutzung steriler Einwegnadeln ausgeschlossen.

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Wenn Sie mehr zur Akupunktur wissen möchten oder an einer komplementärmedizinischen Beratung interessiert sind, können Sie sich jederzeit beispielsweise an die Beratungsstelle für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Tumorzentrum München wenden.

Literatur:

1: Chen L, Lin CC, Huang TW, Kuan YC, Huang YH, Chen HC, et al. Effect of acupuncture on aromatase inhibitor-induced arthralgia in patients with breast cancer: A meta-analysis of randomized controlled trials. Breast (Edinburgh, Scotland). 2017;33:132-8.

2: Chiu HY, Hsieh YJ, Tsai PS. Systematic review and meta-analysis of acupuncture to reduce cancer- related pain. European Journal of Cancer Care. 2017;26(2):1-17.

3: Hershman DL, Unger JM, Greenlee H, Capodice JL, Lew DL, Darke AK, et al. Effect of Acupuncture vs Sham Acupuncture or Waitlist Control on Joint Pain Related to Aromatase Inhibitors Among Women With Early-Stage Breast Cancer: A Randomized Clinical Trial. Jama. 2018;320(2):167-76.

4: He Y, Guo X, May BH, Zhang AL, Liu Y, Lu C, et al. Clinical Evidence for Association of Acupuncture and Acupressure With Improved Cancer Pain: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Oncol. 2019.

5: Paley CA, Johnson MI, Tashani OA, Bagnall AM. Acupuncture for cancer pain in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2015(10).

6: Yan Zhang , Lu Lin , Huiling Li , Yan Hu , Li Tian. Effects of acupuncture on cancer-related fatigue: a meta-analysis. Support Care Cancer. 2018 Feb;26(2):415-425.

7: Juan Yang, Dietlind L Wahner-Roedler, Xuan Zhou, Lesley A Johnson, Alex Do, Deirdre R Pachman, Tony Y Chon, Manisha Salinas, Denise Millstine , Brent A Bauer. Acupuncture for palliative cancer pain management: systematic review. BMJ Support Palliat Care. 2021 Jan 13;

8: Ping-Ping Guo, Ping Li, Xue-Hui Zhang, Na Liu, Jie Wang, Dan-Dan Chen Wei-Jia Sun, Wei Zhang. Complementary and alternative medicine for natural and treatment-induced vasomotor symptoms: An overview of systematic reviews and meta-analyses. Complement Ther Clin Pract. 2019 Aug;36:181-194.

9: Tsai-Ju Chien, Chung-Hua Hsu, Chia-Yu Liu, Ching-Ju Fang. Effect of acupuncture on hot flush and menopause symptoms in breast cancer- A systematic review and meta-analysis. PLoS One. 2017 Aug 22;12(8):e0180918

10: S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen, September 2021 AWMF-Registernummer: 032/055OL

Wolfgang Doerfler

Über Wolfgang Doerfler

Wolfgang Doerfler leitet die Beratungsstelle für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Tumorzentrum München. Er verfasst Blogbeiträge zum Thema wissenschaftlich basierte Naturheilkunde und Lebensstil-Medizin.

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