Wie essen die Deutschen in der Corona-Krise?

„Spaghetti Corona“ war der humoristische Begriff für die Kombination Nudeln mit Klopapier, die beiden meist-gehamsterten Produkte zu Beginn der Corona-Phase. Das war zwar nur ein Gag, doch was und wie essen die Deutschen wirklich in der Zeit der Ausgangsbeschränkung? Tütensuppe und Miracoli-Spaghetti, oder doch lieber den Burger vom Liefer-Service? Oder kochen die meisten Deutschen tatsächlich wieder selbst? Und was passiert nach der Corona-Krise? Essen wir dann anders als zuvor? Das sind Fragen, die uns Ernährungswissenschaftler heute interessieren.

Die Corona-Krise als Potential für eine bessere Ernährung?

„Wenn man zu Hause bleiben muss, bekommt das Essen einen neuen Stellenwert“, sagt Ernährungsforscherin Hanni Rützler vom „Zukunftsinstitut“, das Trends in Deutschland erforscht. Während Essen vor der Corona-Zeit das gesellschaftliche Tempo widerspiegelte und generell spontaner und individueller wurde, steht jetzt plötzlich wieder Essen in der häuslichen Gemeinschaft im Vordergrund, sagte Frau Rützler in einem Interview [1]. Die Familie setzt sich wieder zusammen an den Tisch – auch mittags. Das Essen stabilisiert die Gemeinschaft und sorgt zudem für Struktur im Tagesablauf. Deshalb kehrt man aktuell wieder gern zur eher traditionellen Hauptmahlzeit am Mittag zurück.

Dem Essen wird in der Krise eine andere Bedeutung beigemessen. Das können wahrscheinlich die meisten von Ihnen aus eigener Erfahrung bestätigen. Essen ist nicht mehr nur normaler Teil des Alltags, es wird wieder mehr als Erlebnis gesehen und richtiggehend zelebriert. Sogar das Teilen von Food-Fotos hat eine neue Dimension angenommen: es ist viel mehr als einfaches Posten in Social-Media-Kanälen, es wird zu einem Ritual wie die wöchentliche Verabredung zum Essen mit Freunden. Ein Bild ersetzt zwar die gemeinsame Mahlzeit nicht, aber zumindest virtuell ist man so beim Essen verbunden [1].

Doch was kocht man, wenn man gar keine Erfahrung hat? Ein internationaler Vergleich im Sommer 2019 entlarvte die Deutschen als absolute Kochmuffel. Während in Italien 79 Prozent angaben, fast täglich frisch zu kochen, waren es in Deutschland nur 46 Prozent. Weniger kochten nur noch die Briten [2].

Eine Statistik der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) zeigt, dass in der ersten Märzwoche vor allem gut lagerbare Lebensmittel gefragt waren [3]. Diäten und Low-Carb-Trends traten in der Krise erst einmal völlig in den Hintergrund. In der Woche, bevor die Schulen schlossen und die ersten Beschränkungen umgesetzt wurden, kauften die Deutschen etwa 170 Prozent mehr Teigwaren und Reis als im Vorjahr zur gleichen Zeit. Noch höher war die Nachfrage nur bei Mehl (200 Prozent) und Brotbackmischungen (330 Prozent) [4]. Für Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der BVE ist klar: „Begehrt war alles, was lange haltbar ist“ [5].

Hanni Rützler ist davon überzeugt, dass in der Krise wieder mehr gekocht und sogar gebacken wird. „Nach den Klorollen war Hefe das Nahrungsmittel, das zuerst ausverkauft war!“, begründet Rützler ihre Aussage [1]. Auch Kochkurse im Internet erleben einen Hype.

Wenn man kocht, lernt man auch die Grundnahrungsmittel besser kennen und zu schätzen. Qualität wird wieder mehr wahrgenommen, man lernt, die Zutaten besser zu beurteilen und sorgsamer damit umzugehen. Durch die Ausgangsbeschränkung werden Lebensmittel rarer und wertvoller und werden intensiver genutzt; auch der Umgang mit Resten verändert sich positiv.

Hanni Rützler sieht aber auch noch verschiedene andere Potentiale für die Ernährung in der Corona-Krise. Beispielsweise werden lokale Netzwerke und Kreisläufe gestärkt [1]. Die Not, die durch die Schließung der Gastronomiebetriebe entstand, hat viele Wirte erfinderisch werden lassen und so entstanden kreative Ideen wie etwa der Schnellimbiss von Tohru Nakamura, über den wir letzte Woche berichtet haben. Regionale Kooperationen zwischen Produzenten und Gastronomen wurden gestärkt und viele Verbraucher unterstützen mit ihrer ganz bewussten Kaufentscheidung Bauern oder Restaurants in ihrem Umfeld.

In der Küche bzw. am Tisch

Ein Ernährungstipp von Expertin Rützler für die Corona-Zeit lautet: Nicht nur „was“, sondern auch „wie“ wir essen, ist wichtig [1]. Wir haben jetzt wieder Zeit fürs Essen und sollten es daher umso bewusster genießen. Wir können uns ganz auf unsere Mahlzeiten konzentrieren. Dadurch fallen natürlich auch qualitative Unterschiede erst auf. Vielleicht werden wir uns dadurch der Qualität der Lebensmittel bewusster und kaufen wieder mehr hochwertige Produkte, die wiederum oft einen besseren ökologischen und ethischen Ursprung haben. So könnte sich die Krise eventuell auch positiv auf unser Essverhalten und damit auch auf die Umwelt auswirken.

Wir vom Tumorzentrum würden eine solche Entwicklung sehr begrüßen, denn unser interdisziplinäres Team ist überzeugt, dass eine bewusste und gesunde Ernährung in Verbindung mit Bewegung und Entspannung die Basis für einen Lebensstil ist, der Krebserkrankungen entgegensteuert und ihre Heilung unterstützt. Zur gesunden Ernährung gehört für uns auch das Selber-Kochen als Garant für Genuss und Lebensfreude, und die Auswahl der Zutaten nach ethischen und biologischen Kriterien: saisonal, regional, möglichst in Bio-Qualität und beim Fleisch aus artgerechter Haltung.

Mit Hilfe unserer App „Healthfood“ wird das Selber-Kochen zum Kinderspiel. Die Schritt-für-Schritt Anleitungen mit Fotos und Videos hilft Ihnen dabei. Probieren Sie doch auch einmal ein aufwendiges oder ausgefallenes Gericht aus, wenn Sie jetzt mehr Zeit haben. Auch solche finden Sie in unserer App. „Healthfood“ wird zwar im Moment gerade noch überarbeitet um neue Funktionen zu integrieren und Fehler zu beheben. Doch die schmackhaften Rezepte unserer Sterneköche können problemlos nachgekocht werden. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Ausprobieren und Genießen.

Weitere Anregungen zum Kochen finden Sie in dem von Prof. Nüssler herausgegeben Band „Stark gegen Krebs“. Laufende Informationen zu Zutaten und Fragen rund um die Ernährung sowie Rezepte veröffentlichen wir in diesem Blog.

Genießen Sie die Möglichkeit, zu Hause zu kochen und zu essen, sehen Sie die positive Seite der Ausgangsbeschränkungen und vor allem: Bleiben Sie gesund!

Quellen:

[1] Zukunftsinstitut: Zukunft heute: Hanni Rützler – Podcast, abgerufen am 29.4.2020, https://www.zukunftsinstitut.de/podcast/treffpunkt-zukunft/zukunft-heute-hanni-ruetzler/

[2] STADA: Presssemitteilung: STADA Gesundheitsreport 2019: Deutschland hat keine Lust aufs Kochen, abgerufen am 29.4.2020, https://www.stada.com/de/blog/posts/2019/juli/stada-gesundheitsreport-2019-deutschland-hat-keine-lust-aufs-kochen

[3] Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE): Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Kaufverhalten, abgerufen am 29.4.2020, https://www.bve-online.de/themen/nachschubfuersregal/coronavirus-appinio-versorgung-ernaehrungsindustrie

[4] Zeit online: Herausforderung Kartoffel – Ernährungsindustrie: Deutsche können nicht mehr kochen, abgerufen am 29.4.2020, https://www.zeit.de/news/2020-04/24/ernaehrungsindustrie-deutsche-koennen-nicht-mehr-kochen

[5] Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE): dpa fragt nach der Situation der Branche, abgerufen am 29.4.2020, https://www.bve-online.de/themen/nachschubfuersregal/coronavirus-interview-christoph-minhoff-dpa

Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

Kommentare

Wie essen die Deutschen in der Corona-Krise? — 1 Kommentar

  1. Sehr geehrtes Blog-Team,

    bedanke mich ganz herzlich für Ihre vielen interessanten und überaus aktuellen Artikel und Beiträge.
    Ich bitte Sie deshalb: weiter so!
    Bleiben Sie gesund und viele Grüße
    Gertrud Braun

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