Die Krise meistern durch Resilienz

Das Coronavirus bestimmt weiterhin unseren Alltag und wird uns wahrscheinlich noch eine ganze Weile beschäftigen. Wir wollen Ihnen Tipps geben, was Sie jenseits der Bereiche Ernährung und Bewegung noch tun können, um diese ungewisse Zeit gut zu überstehen und zuversichtlich zu bleiben.

Wie schon im Blog vom 23.3.20 erwähnt, können manche Tumorpatienten mit den Einschränkungen und Umstellungen durch das Coronavirus sehr gut umgehen. Sie haben bereits erlebt, wie man sich fühlt, wenn plötzlich alles anders ist, und können mit der reduzierten Bewegungsfreiheit und der Vorsicht bei Kontakten, die sie gefährden könnten, besser umgehen. Sie sind gewappnet, im Fachjargon bezeichnet man sie als „resilient“.

Doch was ist Resilienz überhaupt? Resiliente Menschen sehen „Schwierigkeiten (…) als Herausforderungen, verlassen bei Krisen schneller die Opferrolle und bleiben auch in harten Zeiten optimistisch“[1]. Das sind gute Gründe, als Krebspatient oder Angehöriger dieser Personengruppe eine gute Dosis dieser Fähigkeit zu erwerben.

Im Duden wird Resilienz definiert als „psychische Widerstandskraft; Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“ [3]. Menschen mit vermehrt resilienten Eigenschaften erholen sich also leichter nach Krisenzeiten. Sie sind relativ schnell wieder auf den Beinen, wenn sie ihre Komfortzone verlassen mussten. Sie verfügen über persönliche und soziale Ressourcen und Schutzfaktoren, die Ihnen die Rückkehr in gewohnte Lebensumstände erleichtern. Beispielsweise ist die Beziehungsfähigkeit – zu einem Lebenspartner, zu Familienangehörigen, zu Freunden und Gleichgesinnten – „eine essenzielle Fertigkeit, um auch mit schwerwiegenden traumatischen Erlebnissen fertig zu werden“ [5].

Dementsprechend wird die Fähigkeit zur Resilienz teilweise von bestimmten Charaktereigenschaften begünstigt, wie „ein aktives, offenes Temperament, Intelligenz oder Humor“ [4]. Eine Person mit solchen Eigenschaften baut leichter ein soziales Netzwerk auf, das sie in schwierigen Zeiten stützt. Doch auch eher introvertierte und ruhige Menschen können resilient sein, da sie oft einen achtsameren Umgang mit sich selbst haben. Resilient kann im Grunde jeder sein, es kommt nur darauf an, ob man seine Charaktereigenschaften positiv umsetzt.

Neben dem Naturell sind erlernte Strategien und Denkmuster wie Glaubenssätze oder Überzeugungen ein wichtiges Element der Resilienz. Ist die Haltung zu sich selbst und der Welt negativ besetzt, wird die Resilienz behindert. Menschen, die negativ über sich denken („Ich bin ein Versager“, „Ich bin nichts wert“), werden sich unter widrigen Umständen also schwerer tun als Personen, die positiv von sich denken („Ich bin erfolgreich“, „Ich bin liebenswert“) [5].

Die frühkindlichen Beziehungserfahrungen sind zentral für den Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls – und damit für die Fähigkeit mit Schwierigkeiten und Krisen umzugehen.“ [4]. Eine viel zitierte Langzeitstudie der Psychologieprofessorin Emmy Werner untersuchte den Einfluss von biologischen und psychosozialen Risikofaktoren wie Armut, Alkoholismus oder Krankheit auf die Entwicklung von Kindern. Ein Drittel der insgesamt 698 Kinder, die aufgrund ihrer prekären sozialen und familiären Ausgangssituation einem erheblichen Entwicklungsrisiko ausgesetzt waren, wurden trotz aller Widrigkeiten zu leistungsfähigen, zuversichtlichen und fürsorglichen Erwachsenen [2]. Diese Studie zeigt eindrucksvoll, egal wie schlecht die Startbedingungen auch sind, manche Menschen lassen sich davon nicht aus der Bahn werfen. Ein zentraler Faktor dabei ist das soziale Umfeld, vor allem die Beziehungen, die ein Kind erlebt.

Wichtig zu wissen ist für uns als erwachsene Menschen: „Resilienz entsteht meist früh. Aber sie lässt sich auch im späteren Leben noch erlernen“ [6] wie der emeritierte Prof. Dr. Friedrich Lösel der Universität Erlangen-Nürnberg betont. Die Persönlichkeit und das Umfeld eines Menschen sind nicht in Stein gemeißelt. „Wir können es (das Gehirn) mit den richtigen Dingen füttern und zum Positiven beeinflussen“, beschreibt Margriet Sitskoorn, Professorin für klinische Neuropsychologie an der Universität Tilburg, es ganz simple. So kann schon allein der Gedanke an Situationen, in denen man Herausforderungen gemeistert hat, die Denkweise positiv beeinflussen.

Dabei kann ein lösungsorientierter Ansatz wie er in unserer Krebsberatungsstelle am Tumorzentrum München verfolgt wird, bei dem nicht Probleme und Krisen im Vordergrund stehen, sondern Ressourcen aufgezeigt werden, unterstützend sein. Oft fokussieren Betroffene sich nur auf die Krankheit. Ihre Stärken und auch die Resilienzfähigkeit sind sozusagen darunter verschüttet. Unsere Aufgabe in der Krebsberatungsstelle ist es unter anderem, diese positiven Eigenschaften wieder ans Licht zu befördern und dem Patienten bewusst zu machen, welche Probleme und Krisen er oder sie bereits gemeistert hat. Die Aktivierung verschütteter Fähigkeiten führt mit etwas Glück dazu, „dass wir im Angesicht von Krisen einen Rettungsweg finden, selbst wenn wir ihn vorher nicht kennen“ [4].

Wir empfehlen Ihnen derzeit und auch für die Zukunft, sich bewusst zu machen, was Ihre Stärken sind und was Ihnen in schwierigen Zeiten schon einmal geholfen hat. Wahrscheinlich haben Sie den einen oder anderen Rettungsweg bereits kennengelernt und können die momentane Herausforderung in Wirklichkeit besser meistern, als Sie ursprünglich dachten.

Quellen:

  1. Maeck, S., Geheimnis psychischer Stärke – die Unverwundbaren. Spiegel – Gesundheit, 2013.
  2. Amann, E.G., Resilienz: Widerstandsfähigkeit im Beruf, U. Hamburg, Editor. 2011.
  3. Bibliographisches Institut GmbH. Duden. 2020 Zugriff 14.01.2020]; Available from: https://www.duden.de/suchen/dudenonline/resilienz
  4. Schnabel, U., Die Kraft der Krise. ZEIT ONLINE, 2015.
  5. Dr. Menning, H., Das psychische Immunsystem. 2015, Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG.
  6. Berndt, C., Psychologie: Das Geheimnis einer robusten Seele. Süddeutsche Zeitung.2012.

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