Den Krebs ´aushungern´ – ist das möglich?

In der Fastenzeit verzichten viele Menschen auf das eine oder andere Genussmittel. Passend zum Thema „verzichten“ widmen wir diesen Blog der ketogenen Diät (KD) bzw. der kohlenhydratarmen Ernährung. Onkologische Patienten stoßen in den Medien oft auf Aussagen, dass sich der Verzicht auf Kohlenhydrate bzw. die KD bei Tumorerkrankungen positiv auswirken könnten. Als Begründung dafür wird angegeben, dass der Stoffwechsel von Tumorzellen von Kohlenhydraten abhängig sei. Je nach Interpretation der Daten versprechen diese Diäten entweder einen direkten Einfluss auf das Tumorwachstum und die Metastasierung, eine Verbesserung der Wirksamkeit von Chemo- oder Strahlentherapie und eine bessere Verträglichkeit insbesondere der Chemotherapie. Doch was ist dran an diesen Behauptungen?

Ketogene Diäten werden im klinischen Bereich bei schwer behandelbarer Epilepsie und einigen seltenen, angeborenen Stoffwechselstörungen seit fast hundert Jahren mit Erfolg angewendet. Diese Diäten gibt es in verschiedenen Formen und Definitionen. Allen gemeinsam ist eine sehr geringe Kohlenhydratzufuhr (höchstens 60g Kohlenhydrate pro Tag). 70% bis 90% der gesamten Energie wird in Form von Fett aufgenommen. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert viel Mitarbeit seitens der Patienten und der Angehörigen. Speisen und Zutaten müssen nach bestimmten Vorgaben ausgewählt werden. Zudem sollte das Verhältnis von Fett zu Kohlenhydraten immer genau berechnet und individuell angepasst werden. Deswegen gelingen diese Diäten nur in enger Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären Team, das mindestens aus einem Arzt und einem speziell ausgebildeten Diätassistenten besteht.

Der heutige Stand der Wissenschaft unterstützt die Behauptung nicht, man könne einen Tumor mit einer speziellen Diät „aushungern“. Diese Aussage gilt ebenso für die KD. Bisherige Studien zur Wirkung der ketogenen Diät auf das Tumorwachstum wurden überwiegend in Zellkulturen oder an Tieren durchgeführt. Manche Studien zeigen vielversprechende Effekte. Genauso viele Studien belegen jedoch auch, dass solche Diäten das Tumorwachstum fördern. Andere Studien ergeben, dass ein Tumor anpassungsfähig ist und sich auch von Fett und Eiweiß ernähren kann. Es gibt nur wenige Studien an Menschen.

Im Jahr 2012 hat der Arbeitskreis Ernährung der Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie (PRIO) der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) eine Stellungnahme zur KD veröffentlicht. Diese wurde auf Basis einer systematischen Auswertung der Studien im Jahr 2017 aktualisiert. Die Fachgesellschaften kamen zu dem Schluss, dass bis heute aufgrund zu geringer Teilnehmerzahlen keine statistisch signifikante Aussage erfolgen kann. Nur insgesamt 330 Krebspatienten wurden in Studien zur KD eingeschlossen. Von diesen 330 Patienten haben nur 177 Erkrankte eine ketogene Diät befolgt. Lediglich 67 Patienten haben die Diät tatsächlich bis zum Ende der Studie durchgehalten. Die umfangreiche Analyse der Daten zeigte: Keine der an Menschen durchgeführten Studien konnte eine verbesserte Wirksamkeit der Therapie, eine Verminderung von Nebenwirkungen, eine Rückbildung von Tumoren oder eine Verlängerung des Überlebens durch eine ketogene Diät belegen.

 

Unerwünschte Nebenwirkungen

Bei allen Diäten, die die Aufnahme von Kohlenhydraten in diesem Maße einschränken und damit ein „Aushungern der Krebszellen“ erreichen möchten, können unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Eine Folge davon kann eine ungewollte Gewichtsabnahme sein, die nicht nur das Körperfett reduziert, sondern auch zum Muskelabbau führt – insbesondere zum Abbau von lebenswichtigen Organmuskeln. Diese Prozesse wirken sich sogar nachteilig für den Patienten, seinen Krankheitsverlauf und seine Überlebenschancen aus.

 

Was können Sie tun?

Schöpfen Sie neue Energie aus einem gesunden, aktiven Lebensstil mit ausgewogener und abwechslungsreicher Ernährung. Holen Sie sich dazu Hilfe bei staatlich anerkannten Fachleuten. Nur so können Sie eine kompetente und sachkundige Diätberatung erhalten, die auf Ihre speziellen Bedürfnisse und Ihre Gesundheitssituation abgestimmt ist und zudem auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Wenn Sie Unterstützung in Ernährungsfragen oder bei der Suche nach einer geeigneten Ernährungsfachkraft in Ihrer Nähe benötigen, können Sie sich gerne an uns wenden. Sie können jederzeit einen Termin für eine (kostenlose) Beratung bei uns vereinbaren. Oder Sie besuchen das Infoportal und die Beratersuche nach Postleitzahlen auf unsere Homepage.

Dieser Blogartikel ist in Zusammenarbeit mit dem CCCM und Frau Nicole Erickson (Koordinatorin des onkologischen Ernährungsteams, Großhadern) entstanden. Danke auch an PD Dr. Michl für die Mitarbeit.

Literatur:
Erickson N, Buchholz D, Hübner J (Hrsg.) Stellungnahme zur ketogenen und kohlenhydratarmen Diäten bei Menschen mit Krebs für die Arbeitsgemeinschaft Prävention und Integrative Onkologie (PRIO) Ernährung Umschau 9/17
Erickson N, Boscheri A, Linke B, Huebner J. Systematic review: isocaloric ketogenic dietary regimes for cancer patients. Med Oncol. 2017;34(5):72

Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

Kommentare

Den Krebs ´aushungern´ – ist das möglich? — 10 Kommentare

    • Guten Tag Frau Halbhuber,
      ich habe Sie in die Newsletter-Verteilerliste eingetragen. Sie erhalten nun immer Montag Abend den Newsletter für den neuen Blogartikel.
      Mit freundlichen Grüßen
      Eva Kerschbaum

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  4. Guten Tag! Können Sie mir eine/n Ernährungsberater/in nennen in Freiburg/Br., der/die sich mit Ernährung nach Krebs (die Therapie ist abgeschlossen) auskennt? Ich habe diverse Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten, deswegen brauche ich eine speziell auf mich zugeschnittene Beratung. Danke! Freundliche Grüße von D.S.

    • Guten Tag, vielen Dank für Ihren Kommentar. Wenden Sie sich gerne an niedergelassene Ernährungsberater:innen in Freiburg, die von der DGE, VDOE, VDD oder QUETHEB zertifiziert sind. Kontaktlisten finden Sie auf den jeweiligen Homepages bspw. https://www.dge.de/beratung/ . Sie können auch den Kontakt über die Krankenkasse herstellen. Die können normalerweise auch immer Ernährungsberater:innen in der Region nennen, bei denen sie die Kosten für die Beratung erstatten. Gerne können Sie aber auch eine Video-/Telefonberatung kostenlos bei uns wahrnehmen. Kontaktieren Sie uns dazu gerne telefonisch (089/4400-53344) oder per Email (ernaehrung-tzm@med.uni-muenchen.de).

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