Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund!

Heute geht es um saisonale „Bittersalate“ bzw. „Bittergemüse“, die aufgrund ihres gewöhnungsbedürftigen Geschmacks oftmals vom Esstisch verbannt wurden, aber mit zahlreichen positiven Wirkungen für die Gesundheit punkten: Chicorée, Endiviensalat, Radicchio, Teufelsohr und andere mehr. Viele Bitterstoffe enthalten zum Beispiel auch die Artischocke, Mangold, Rosenkohl, Rucola. Obwohl die Wintersalate am Sonntag im BR-Beitrag „Schmidt Max und das Wintergemüse“ Ihren ersten Fernsehauftritt hatten, möchten wir mit diesem Blog den teilweise unbekannten Sorten zu noch mehr Prominenz verhelfen.

 

Zu den Bitterstoffen zählen alle Substanzen, die einen bitteren Geschmack aufweisen. Chemisch gesehen bilden sie keine einheitliche Gruppe, da sie sich sowohl unter den Glycosiden, den Isoprenoiden, als auch den Alkaloiden finden [1]. Sie werden in die Substanzklasse der sekundären Pflanzenstoffe eingeordnet. Der ursprüngliche Nutzen der Bitterstoffe ist es, Pflanzen vor Fraßfeinden zu schützen. In der Tat sind manche natürlich vorkommende Bitterstoffe giftig. Im Lauf der Evolution war die Fähigkeit, Bitteres zu schmecken, wichtig fürs Überleben [2]. Wer bittere Substanzen nicht erkennen konnte, war bei der Nahrungsauswahl benachteiligt. So reagiert die Mehrheit der Bevölkerung sehr sensibel bereits auf geringe Bitterstoff-Konzentrationen [3].

 

Gesundheit und Ernährung

Bereits früh fand man allerdings heraus, dass bittere Substanzen eine positive Wirkung auf das Verdauungssystem und den Stoffwechseln haben. Die Äbtissin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) setzte natürliche Bitterstoffe und heimische Bitterkräuter zur Anregung und Regulierung der Verdauung ein. Auch der Arzt und Philosoph Paracelsus (16. Jahrhundert, „Der Tod sitzt im Darm“) stellte ein Elixier aus Myrrhe, Aloe und Safran zusammen, das außerdem noch verschiedene Bitterwurzeln enthielt und gut für den Darm sein sollte. Das Rezept bildet die Grundlage für ein medizinisches Getränk, das als „Schwedenbitter“ bezeichnet wird [4].

Tatsächlich konnte man mittlerweile zeigen, dass Bitterstoffe die Verdauung und den Stoffwechsel positiv beeinflussen. So stimulieren sie beispielsweise die Magen- und Gallensaftsekretion. Dadurch wird die Fettverdauung sowie die Darmperistaltik gefördert und der Appetit angeregt [1].

Neueren Untersuchungen zufolge befinden sich Bitterrezeptoren auch außerhalb des Mundes, etwa im Gastrointestinaltrakt, in den Atemwegen, im Gehirn oder in der Bauchspeicheldrüse [5]. Die Rezeptoren in den Atemwegen können Bakterien erkennen und das Immunsystem stimulieren [5]. Im Magen-Darm-Trakt kann über Bitterrezeptoren eine Immunantwort provoziert und damit pathologische Keime und Parasiten bekämpft sowie die Mikrobiota verbessert werden [6]. Bitterrezeptoren bewirken im Verdauungstrakt zudem eine Ausschüttung gastrointestinaler Hormone und greifen damit positiv in den Stoffwechsel ein [6].

 

In der Küche

Saisonales Gemüse zu essen wird grundsätzlich empfohlen. Doch was macht man im Winter? Sich nur von Kohlsorten ernähren? Weit gefehlt! Im Winter sind zahlreiche leckere Salatsorten verfügbar: die Zichoriengewächse Chicorée, Radicchio, Puntarelle, Zuckerhutsalat, aber auch die Winterendivie sowie Römersalate wie Forellenschluss und Teufelsohr. Diese würzigen Salate enthalten viele Bitterstoffe. Endiviensalate erhalten beispielsweise ihren angenehm bitterherben Geschmack durch den Bitterstoff Lactucoprikin (Intybin). Zichorien enthalten außerdem auch Lactucin und Cichoriin.

 

Die genannten Salatsorten schmecken nicht nur gut, sie bringen auch Abwechslung und Vielfalt in die Winterküche. Mit ihrem leicht bitteren Geschmack sind sie die ideale Ergänzung zu anderen Salatsorten. Der rote Radicchio oder der gesprenkelte Forellenschluss zum Beispiel peppen den Salatteller farblich auf.

 

Gehört man zu den Menschen, die sehr sensibel auf Bitterstoffe reagieren, empfiehlt es sich, die bitteren Salatblätter etwas in lauwarmem Wasser zu baden. Hierzulande sind die Wintersalate, wenn überhaupt, nur als Rohkost bekannt. In Italien hingegen werden diese deutlich vielfältiger eingesetzt. Dort isst man beispielsweise Radicchio-Risotto oder grillt die Salatherzen. Vom Salat Puntarelle kann man nicht nur das Grün verwenden, sondern auch die jungen, innenliegenden Spitzen roh oder in Olivenöl angebraten servieren.

Neben den hier erwähnten bitteren Salatsorten gibt es auch noch Obstsorten, Kräuter und Gewürze, die Bitterstoffe enthalten. Für onkologische Patienten sind diese ebenfalls sehr wertvoll. Als Tee bzw. Teemischungen kann sowohl deren verdauungsfördernde Wirkung genutzt, als auch der Appetit angeregt werden. Ein Rezeptvorschlag für ein appetitanregende Mischung wäre: Je 10 g Tausendgüldenkraut, Enzianwurzel, Süßholzwurzel und Rosmarinblätter. Einen Teelöffel dieser Mischung mit 250 ml heißem Wasser übergießen und sieben Minuten zugedeckt ziehen lassen, abseihen und eine halbe Stunde vor dem Essen trinken [7].

 

Vielleicht konnten wir mit diesem Blog den einen oder anderen davon überzeugen, gerade jetzt im Winter wieder öfter die genannten Salatsorten in den Speiseplan einzubauen. Wenn ja, können Sie sich bereits auf nächsten Montag freuen. Dann erscheint passend zum heutigen Thema ein Rezeptvorschlag – natürlich wieder von einem unserer bekannten Sterneköche exklusiv für das Tumorzentrum München kreiert.

 

 

Quellen:
[1] „Chemie.de,“ [Online]. Available: http://www.chemie.de/lexikon/Bitterstoff.html. [Zugriff am 24 Jan 2018].
[2] Behrens M, Meyerhof M,„Bitter taste receptors and human bitter taste perception,“ Cell Mol Life Sci., Jul 2006, 63 (13): pp. 1501-9.
[3] Loper HB et al., „Taste perception, associated hormonal modulation, and nutrient intake,“ Nutr Rev., Feb 2015, 73(2): pp. 83-91.
[4] Sanatheke Medicapro Medizintechnische Produkte GmbH, „Schwedenbitter.de,“ [Online]. Available: http://www.schwedenbitter.de/. [Zugriff am 25 Jan 2018].
[5] Carey RM et al., „Taste Receptors in Upper Airway Immunity,“ Adv Otorhinolaryngol., 28 Jul 2016, 79: pp. 91-102.
[6] Shaik FA et al., „Bitter taste receptors: Extraoral roles in pathophysiology.,“ Int J biochem Cell Biol., Aug 2016, 77: pp. 197-204.
[7] Redaktion forum-naturheilkunde.de, „forum-naturheilkunde.de,“ TerraNova, [Online]. Available: https://www.forum-naturheilkunde.de/phytotherapie/amara-bitterstoffe-in-der-phytotherapie.html. [Zugriff am 25 Jan 2018].

Eva Kerschbaum

Über Eva Kerschbaum

Eva Kerschbaum studierte Ernährungswissenschaft an der TU München und ist zertifizierte Ernährungsberaterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. ...

Kommentare

Was bitter im Mund, ist dem Magen gesund! — 2 Kommentare

  1. Pingback: Auf zu neuen Ufern – unser Blog vergrößert sich und sucht einen neuen Namen! | Der Mensch ist, was er isst! | Der Mensch ist, was er isst!

  2. Ich bin gerade zufaellig auf Ihrer Website gelandet (war auf der Suche nach einer anderen Homepage).
    Ich moechte diese Seite nicht verlassen, ohne Euch ein Lob zu dieser gut strukturierten und
    schick designten Seite zu hinterlassen!

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