Die Mariendistel (Silybum marianum)

Der Legende nach sollen beim Stillen des Jesuskindes ein paar Tropfen von Marias Muttermilch auf die Blätter einer Distel gefallen sein. Seitdem trägt diese Pflanze stolz dieses Ehrenmal und wird Mariendistel genannt.
Tatsache ist, dass weißliche, milchähnliche Flecken die Mariendistelblätter kennzeichnen.


Die Mariendistel ist bereits seit dem Altertum eine anerkannte Heilpflanze und wird in der heutigen Naturheilkunde am häufigsten bei Leberschäden verwendet.

Die Mariendistel ist auf den trockenen Böden in Südeuropa, Nordafrika und im westlichen Asien beheimatet, ist heute jedoch auch in Süd- und Nordamerika, Australien und Mitteleuropa verbreitet. Die Pflanze wird bis zu 1,5 Meter hoch und zählt zu den Korbblütlern (Asteraceae). Ihre Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September. Die gezähnten, dornigen Blätter glänzen grünlich und weisen die erwähnten weißlichen Flecken auf. Dagegen leuchten die kugelförmigen Blüten purpurrot, und die glatten, länglichen Früchte schimmern dunkelbraun [1].

 

Anwendung in der Naturheilkunde:
In der Komplementärmedizin werden die Früchte der Mariendistel verwendet. Die wirksamen Inhaltsstoffe der Mariendistel befinden sich hauptsächlich in einem „Silymarin“ genannten Substanzgemisch (bestehend aus den sogenannten Flavonolignanen Silibinin, Isosilibinin, Silychristin und Silydianin). Als Tee sind die Früchte wegen ihrer fettlöslichen Eigenschaften kaum verwertbar. Aus diesem Grund finden vorwiegend trockene oder flüssige Auszüge Anwendung – auch als Fertigarzneimittel. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei etwa 300 mg Silymarin, verteilt auf 3 Einnahmen über 4 – 8 Wochen [2].

 

Indikationen für die Verwendung:

Die wissenschaftliche Sachverständigenkommission E des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) befürwortet die Anwendung des Mariendistel bei toxischen Leberschäden (ausgelöst durch Alkohol, Viren, Toxine oder Arzneimittel wie Paracetamol) und Leberzirrhose (Schrumpfleber) [3]. Die Europäische Arzneimittel Agentur (EMA) kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen und beschreibt darüber hinaus die traditionelle (nicht wissenschaftlich nachgewiesene) Nutzung der Mariendistelfrüchte bei unspezifischen Magenbeschwerden (Völlegefühl, Blähungen und Flatulenz) [2]. Diese Einschätzungen decken sich mit dem Anwendungsverhalten von Patienten und der Verschreibungspraxis naturheilkundlich orientierter Ärzte und Heilpraktiker.

In unserer komplementärmedizinischen Beratungstätigkeit am Tumorzentrum München kommt die Mariendistel immer vor allem dann zum Einsatz, wenn der Patient den Wunsch äußert, die Leber nach einer Chemotherapie zu „entgiften“. Aus medizinischer Sicht ist eine solche „Entgiftung“ in den seltensten Fällen erforderlich. Bei vorbestehenden oder neu aufgetretenen Anzeichen einer Leberbelastung (etwa Anstieg von so genannten Leberenzymen im Blut) kann der Einsatz der Mariendistel jedoch durchaus sinnvoll sein. Dabei ist es von großem Vorteil, dass die Mariendistel ein geringes Wechselwirkungsrisiko mit anderen Medikamenten hat, speziell mit den meisten Krebsmedikamenten [4]. Aktuelle Forschungsergebnisse geben Hoffnung, dass die Mariendistel auch eine zellschützende Wirkung auf Herz [5] und Nieren [6] ausüben könnte. Diese Effekte könnten für Krebspatienten, die sich einer Herz oder Nieren belastenden Krebstherapie unterziehen, von Nutzen sein.

Spannend sind darüber hinaus Forschungsarbeiten, die sich mit der direkt krebshemmenden Wirkung der Mariendistel beschäftigen. So wird aktuell beispielsweise untersucht, ob die Mariendistel den Krankheitsverlauf von Prostata- oder Leberkrebs positiv beeinflussen kann [7, 8].

Jenseits der oben erwähnten Indikationen erforscht man derzeit auch eine positive Wirkung der Mariendistel bei erhöhten Blutfettwerten, Gefäßverkalkung (auch des Herzens), Diabetes oder Alzheimer [9].

Mariendistelfrüchte können gelegentlich Blähungen und Bauchschmerzen hervorrufen. Ansonsten gelten die Zubereitungen als gut verträglich. Bei Vorliegen einer Allergie gegen Korbblütler sollte man die Mariendistel meiden, ebenso während Schwangerschaft und Stillzeit, da mögliche Risiken für das Kind bisher nicht hinreichend untersucht wurden [2].

Um Studienergebnisse richtig zu interpretieren und auf Ihre persönliche Situation abzustimmen, sollten Sie sich zur eigenen Sicherheit vor Einnahme eines Mariendistelpräparats unbedingt fachkundig beraten lassen.

 

Quellen

[1] http://phytosciences.org/de/pflanzenportraets/mariendistel

[2] http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Herbal_-_HMPC_assessment_report/2015/07/WC500190400.pdf

[3] http://buecher.heilpflanzen-welt.de/BGA-Kommission-E-Monographien/cardui-mariae-fructus-mariendistelfruechte.htm

[4] Kawaguchi-Suzuki M, Frye RF, Zhu HJ1, Brinda BJ, Chavin KD, Bernstein HJ, Markowitz JS. The effects of milk thistle (Silybummarianum) on human cytochrome P450 activity.Drug MetabDispos. 2014 Oct;42(10):1611-6. doi: 10.1124/dmd.114.057232. Epub 2014 Jul 15.

[5] Razavi BM, Karimi G, Protective effect of silymarin against chemical-induced cardiotoxicity. Iran J Basic Med Sci. 2016 Sep;19(9):916-923.

[6] Rafieian-Kopaie M, Nasri H. Silymarin and diabetic nephropathy. J Renal Inj Prev. 2012 Jan 1;1(1):3-5. doi: 10.12861/jrip.2012.02. eCollection 2012.

[7] Vue B, Chen QH. The Potential of Flavonolignans in Prostate Cancer Management. Curr Med Chem. 2016;23(34):3925-3950.

[8] Polachi N, Bai G, Li T, Chu Y, Wang X, Li S, Gu N, Wu J, Li W, Zhang Y, Zhou S, Sun H, Liu C. Modulatory effects of silibinin in various cell signaling pathways against liver disorders and cancer – A comprehensive review. Eur J Med Chem. 2016 Nov 10;123:577-95. doi: 10.1016/j.ejmech.2016.07.070. Epub 2016 Jul 29.

[9] Bahmani M, Shirzad H, Rafieian S, Rafieian-Kopaei M. Silybummarianum: Beyond Hepatoprotection. J Evid Based Complementary Altern Med. 2015 Oct;20(4):292-301. doi: 10.1177/2156587215571116. Epub 2015 Feb 16.

Wolfgang Doerfler

Über Wolfgang Doerfler

Wolfgang Doerfler leitet die Beratungsstelle für Komplementärmedizin und Naturheilkunde am Tumorzentrum München. Er verfasst Blogbeiträge zum Thema wissenschaftlich basierte Naturheilkunde und Lebensstil-Medizin.

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